
© Andreas Klaer
Kultur: Geschichte aus dem Materialraum
Melanie Neumann ist eine der letzten Studentinnen für Kunst auf Lehramt an der Universität Potsdam. Mit ihrer Ausstellung betreibt sie auch Erinnerungsarbeit
Stand:
Ein vergilbter Zettelkasten steht im Eingangsbereich der Ausstellung im Atelierhaus Scholle 51. Sieht man nach links, die Treppe hoch, so treffen mit Farbe bedeckte, beleuchtete Glasplatten das Blickfeld. „Die sind aus der Grafikwerkstatt. Uns wurde eigentlich immer gesagt, dass wir die Druckplatten nicht als Paletten nutzen sollen“, sagt die Ideengeberin der Ausstellung, Melanie Neumann lachend. Die angehende Absolventin dokumentiert in „Raumübergreifende Installation – Materialraum 2.9.0.04“ die Hinterlassenschaften aus dem Materialraum des auslaufenden Studiengangs Kunst auf Lehramt an der Universität Potsdam.
Die 34-jährige Potsdamerin bedauert die Schließung des Fachbereichs Kunst für die Sekundarstufe I. Momentan werde nur noch für die Primarstufe ausgebildet. Als das Fach Kunst strukturell und finanziell kriselte, wurde eine Kooperation mit der Universität der Künste Berlin veranschlagt, um die Lehrerausbildung abzudecken. Seit Wintersemester 2009/2010 müssen sich die künftigen Lehrer und Lehrerinnen für Kunst dort bewerben.
„Materialraum 2.9.0.04“ steht für den Raum 4 des Erdgeschosses im Haus 9 am Universitätskomplex 2 in Potsdam-Golm. Die Chiffre steht aber gleichzeitig auch für das Materialarchiv, in dem über Jahrzehnte hinweg Kartons, Folien, Papier, Grafiken, Farben gesammelt wurden. Ein Archiv der Dinge. Was zukünftig mit dem Raum passiert, ist nicht klar. Das Haus 9 soll saniert werden. Der Fachbereich befindet sich nun im kleineren Haus 2 am selben Komplex.
In Anlehnung an die künstlerische Strömung Spurensicherung, eine Form der Konzeptkunst, die sich in den 70er Jahren entwickelte, fragte Melanie Neumann nach den historischen und individuellen Spuren im Materialraum. Ähnlich wie bei kriminalistischen Verfahren dokumentierte sie den Fundort. Machte Fotos, Skizzen, Aufzeichnungen. Entwarf ein Raum-Konzept für ihre Installation, entschied sich für die Ausstellungsräume in der Scholle 51. Die Zimmer sind thematisch geordnet und verweisen auf unterschiedliche historische Kontexte.
Im „Raum der unbekannten Künstler“ befinden sich Druckgrafiken unterschiedlicher Jahrgänge, die Melanie Neumann im Materialarchiv gefunden hat. Manch ein Name lässt sich entschlüsseln. Bei anderen fehlt jegliche individuelle und historische Referenz. Viele Objekte verweisen auf die DDR-Geschichte des Fachbereichs. Neben Polylux und Projektor gibt es auch alte Lehrmaterialien der Kunstpädagogik, Werbeplakate und Dias, die auch eine Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Institut für Pädagogik Rosa Luxemburg und der Lehrerausbildung an am heutigen Campus Golm möglich macht. Die vergessenen Dinge und Geschichte(n), die Melanie Neumann in ihrer Ausstellung auf ästhetische Art und Weise präsentiert, sind es wert, sie als Stück Kulturgeschichte zu betrachten, die nicht einfach entsorgt werden sollten. Aber es bleibt ungewiss, was mit dem Materialraum passiert, wenn das Haus 9 am Campus saniert wird. Ähnlich ungewiss ist die Zukunft der Atelierräume in der Scholle 51. Ein Käufer wurde für das Gebäude gefunden, der eine andere Nutzung will. Ein doppelter Abschied. Anna Grieben
Die Ausstellung „Materialraum 2.9.0.04“ kann noch bis Dienstag, dem 18. Dezember, täglich von 14 bis 17 Uhr in der Geschwister-Scholl-Straße 51 besucht werden. Außer am Sonntag
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