Kultur: Geschichte im Detail
„850 Jahre Mark Brandenburg“ – Eine Ausstellung im Kutschstall erinnert an das Jubiläum
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Alle Diplomatie hatte nicht genutzt. Am Ende musste Markgraf Albrecht, genannt der Bär, aus dem schwäbisch-fränkischen Fürstengeschlecht der Askanier, doch seine Getreuen um sich scharen und die Feste Brandenburg belagern. Mit dem kinderlos gebliebenen Fürsten Pribislaw-Heinrich hatte er zwar ausgehandelt, dass die Brandenburg nach dessen Tod an ihn übergehen sollte. Doch dauerte es nach Pribislaw-Heinrichs Tod 1150 noch sieben Jahre, bis der mittlerweile über 50-jährige Albrecht am 11. Juni 1157 sein Banner neben der Petruskapelle auf der Brandenburger Dominsel aufrichten konnte. Dieser Tag im Juni gilt als Geburtsstunde der Mark Brandenburg, denn fortan nannte sich Albrecht in Urkunden nur noch „Markgraf in bzw. von Brandenburg“.
Mit einer auf den ersten Blick wenig spektakulären und auch schnell zu übersehenden Ausstellung hat das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte und das Landeshauptarchiv im Potsdamer Kutschstall am Donnerstag den Auftakt zu den „Geburtstagsfeierlichkeiten“ für Brandenburg begonnen. Im so genannten Schaufenster, einer schlichten Vitrine in einer Ecke des Kutschstalls, werden in den kommenden Monaten unter dem Titel „850 Jahre Mark Brandenburg“ vier Urkunden aus der Anfangszeit der Markgrafschaft nach der Einnahme der Feste Brandenburg zu sehen sein.
Neben der Ausstellung ist unter anderem im Juni ein Fachtagung in Brandenburg geplant, auf der neueste archäologischen und historische Quellen aus der Zeit der Entstehung und des Aufstieges der Mark Brandenburg von 1100 bis 1350 vorgestellt und diskutiert werden sollen. Das Brandenburgische Landeshauptarchiv mit Sitz in Potsdam will Ende März das „Brandenburgische Klosterbuch“ vorstellen. Das zweibändige Werk entstand in Zusammenarbeit mit dem Historischen Institut der Universität Potsdam und der Brandenburgischen Historischen Kommission. Am Sonntag findet im Kutschstall die 3. Potsdamer Geschichtsbörse statt, die ganz im Zeichen des Landesjubiläums stehen soll. Die nun im Kutschstall präsentierten Urkunden zeigen unter anderem die Versuche Albrecht des Bären, in der Mark Brandenburg seine Landesherrschaft zu sichern und zu festigen und gleichzeitig eine politische Einheit aufzubauen, wie Klaus Neitmann, Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchiv, bei der feierlichen Eröffnung der Ausstellung sagte. Mit der im Jahre 1160 verfügten Schenkung des Dorfes Werben an der Elbe, in der heutigen Altmark, westlich der ehemaligen Bischofsstadt Havelberg gelegen, präsentiert das Landeshauptarchiv die älteste Urkunde aus seinem Besitz. Neben dem Dorf Werben schenkte Albrecht der Bär dem Johanniterorden, einem 1099 gegründeten Ritterorden, der sich unter anderem der Pflege und Versorgung von Kranken verschrieben hatte, weitere sechs Hufen Land nach holländischem Maß. Die Angabe des holländischen Maßes in der Urkunde deute auf die Ansiedelung von Holländern in der Mark, sagte Neitmann.
Neben dem eigenen Seelenheil und dem für die Familie, das sich Albert durch diese Schenkung versprach, zeigt sich in diesem schlichten Schriftstück auch ein bedeutendes Maß damaliger Diplomatie. Denn Machterhalt oder gar Machtzuwachs, verbunden mit der entsprechenden Legitimation, war zu dieser Zeit ohne Zustimmung und Unterstützung der Kirche nicht möglich. So halfen entsprechende Schenkungen an die Kirche selbst oder christlich geprägte Orden, das gute Verhältnis zwischen Geistlichkeit und dem weltlichen Herrscher bei der damals üblichen Vielzahl von Konflikten und Machtansprüchen anderer zu erhalten oder zu beeinflussen.
Mit einer Urkunde des so genannten Falschen Woldemars zeigt das „Schaufenster“ ein Beispiel dieser unterschiedlichen Herrschaftsansprüche. Als das Geschlecht der Askanier um 1320 ausstarb, droht die Markgrafschaft Brandenburg zu zerfallen. Im Jahr 1348 mischte sich besagter Woldemar in die Streitigkeiten um die Mark ein. Er behauptete, der letzte, im Jahr 1319 verstorbene askanische Markgraf Woldemar zu sein und begründete seine lange Abwesenheit mit einer Pilgerreise ins Heilige Land. Interessant an der Urkunde des Falschen Woldemars, dessen Herrschaftsambitionen zum Scheitern verurteilt sein sollten, ist die Unterstützung, die er hier von vielen Städten erfährt. Denn sie nahmen ihn in Pflicht, in diesen Zeiten, wo ein Zerfall der Mark Brandenburg durch die ständigen politischen Streitigkeiten drohte, für eine Einheit in der Markgrafschaft zu sorgen.
Vier mit feiner Handschrift beschriebene Stücke Papier, drei davon mit prächtigen Siegeln geschmückt, werden hier gezeigt. Auf den ersten Blick vielleicht nicht besonders interessant. Doch Geschichte findet sich sehr oft im Detail.
Dirk Becker
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