Von Undine Zimmer: Geschichte in Holz geschnitzt David Ludwig Blochs Erinnerungen an Dachau
Zwischen bunten Geschäften mit dicker Aufschrift „Soja Sauce“, Ying und Yang Symbolen und feilschenden Chinesinnen mit kleinen Kindern an der Hand, steht eine kleine Bretterbude mit dem Schild „Hand Coloured Woodcut by D. L.
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Zwischen bunten Geschäften mit dicker Aufschrift „Soja Sauce“, Ying und Yang Symbolen und feilschenden Chinesinnen mit kleinen Kindern an der Hand, steht eine kleine Bretterbude mit dem Schild „Hand Coloured Woodcut by D. L. Bloch“.
„Shanghai Bilder“ heißt die Serie, zu der dieser Holzschnitt des gehörlosen jüdischen Künstlers David Ludwig Bloch gehört, der am 25. März seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Dieses Bild ist das einzige farbige in der Ausstellung „Meine Bilder sind meine Sprache“, die noch bis zum 22. August in der Französischen Kirche am Bassinplatz zu sehen ist.
Als Jude, Vollwaise und Gehörloser hatte Bloch schwierige Ausgangsvoraussetzungen als Künstler. Gerade mal ein Jahr alt war er, als 1911 seine Eltern nach schweren Krankheiten starben. Als einziger Gehörloser studierte er ab 1934 an der Staatlichen Akademie für Angewandte Kunst in München. 1938 wurde er als Jude vom Studium ausgeschlossen, im gleichen Jahr, nach der Reichskristallnacht, für vier Wochen in Dachau inhaftiert. Als einer von bis zu 20 000 Heimatlosen, die zwischen 1937 und 1940 ohne Visum nach Shanghai einreisen durften, baute er sich hier in nur wenigen Jahren ein neues Zuhause auf. Dort lebte er von seiner Kunst und gründete eine Familie mit der ebenfalls tauben Chinesin Lily Cheng Disiu. 1949 wanderten sie zusammen in die USA aus.
Nur 21 Holzschnitte sind an den Wänden im runden Kirchenschiff der Französischen Kirche zu sehen. Bis auf den letzten Rahmen mit den farbigen Shanghai- Bildern, sind alle anderen schwarz-weiß. Es sind Blochs Erinnerungen an die Erlebnisse im Konzentrationslager Dachau. Die Bilder sind kein unmittelbarer emotionaler Versuch der Bewältigung. Sie sind erst 1976 entstanden, nachdem Bloch auf einer Reise das KZ Dachau als Tourist besucht hatte. In seinen Bildern verarbeitete er nicht nur seine eigenen Erfahrungen und Erinnerungen. Bloch hat auch die Bilder der Dokumentationen und Berichte über das Grauen in den Konzentrationslagern, dem er rechtzeitig entkommen konnte, in die Holzschnitte eingearbeitet.
Die Verbrennungsöfen, die Deportationszüge und Motive wie die Geiger aus Theresienstadt finden sich in seinen Bildern wieder. „Warum...?“ steht neben zwei gestreiften Beinen im Sträflingsanzug. Der Betrachter steht auf Augenhöhe der Fußsohlen hinter dem Gehenkten und blickt auf eine unendliche Masse von Häftlingen, die hier nur noch auf den Tod zu warten scheinen. Die Gefangenen sind nur noch Skelette in gestreiften Lumpen. Ihre Knochen stechen förmlich durch die Löcher am Rücken ihrer Häftlingskluft. Ihre Gesichter sind Schädel mit schwarzen Löchern statt Augen. Auf manchen Bildern sind die Gesetzestafeln von Mose zu sehen, die Nummern darauf stehen für die jeweiligen Gebote.
Mit der Willkürlichkeit des Todes hat Bloch sich in seinen Holzschnitten beschäftigt. Das Spiel der SS-Soldaten mit ihren Gefangenen, wenn sie die Masse in Form eines Hakenkreuzes antreten lassen, während hinter ihnen die Toten aus einem Waggon fallen. Auf einem Bild scheinen die SS-Soldaten zu lächeln, während sie die nächsten Todeskandidaten aussuchen. In der letzten Reihe sind drei Plätze leer. Dort liegen fein säuberlich zusammengelegt drei gestreifte Sträflingsanzüge. In derselben Reihe erkennt man wie ein Gefangener seinen Nebenmann stützt. Vielleicht hat sich Bloch hier sogar selbst in das Bild geschnitzt und seine Begegnung mit einem alten Bekannten, den ebenfalls gehörlosen Maler Richard Liebermann in Dachau verewigt.
Diese 21 Holzschnitte aus dem Holocaust-Zyklus hat Bloch seinem Freund dem Gehörlosen-Pfarrer Hans-Jürgen Stepf vermacht. Herzlich war der Ton zwischen ihnen, wie eine Postkarte von Bloch an Stepf verrät, die auch in der Ausstellung zu sehen ist. Bloch, der seit 1949 in den USA lebte, mischt darauf Deutsch und Englisch in einem Satz. Stepf ist heute aktives Gemeindemitglied der Französischen Kirche und hat die Ausstellung zum 100. Geburtstag von Bloch organisiert.
So klein wie sie ist, erinnert die Ausstellung „Meine Bilder meine Sprache“ nicht allein nur an Blochs Erfahrungen im KZ in Dachau und das Trauma des Holocaust. Sie erzählt auch die Geschichte von einem, der sich nicht vom Leben unterkriegen lassen wollte. Am Ende der Bildreihe steht man vor dem Bild, in dem Bloch seinen eigenen Laden für handbemalte Holzschnitte in Shanghai dargestellt hat. Ein Bild, nur zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden, das aber so voller Farbe, verspielter Details und Lebensfreude ist.
Die Ausstellung „Meine Bilder meine Sprache“ von David Ludwig Bloch ist noch bis zum 22. August in der Französischen Kirche am Bassinplatz zu sehen. Täglich von 13.30 bis 17 Uhr
, ine Zimmer
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