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Kultur: Geschichten zurückgegeben

Kunstdepot – Depotkunst. Eine Ausstellung in den Römischen Bädern im Park Sanssouci

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Alles an ihr ist schwarz vor Schmutz. Nur an den Brustwarzen blitzen weiße Flecken. Als wollte sie die Aufmerksamkeit darauf lenken. Ihre Brüste recken sich frech nach oben – physikalisch eigentlich unmöglich. Denn die Dame liegt auf dem Rücken. Stehen könnte sie auch gar nicht mehr. Ihr fehlen sämtliche Gliedmaßen und der Kopf. Früher, da stand sie auf dem Potsdamer Stadtschloss.

Seit Jahren nun wird sie in der Skulpturensammlung der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten aufbewahrt – zwischen hunderten anderen Statuen: antike Büsten und Skulpturen von Friedrich Christian Glume, französische Meisterwerke von Francois und Lambert-Sigisbert Adam sowie Bildnisse von Christian Daniel Rauch, also aus der Zeit des Rokoko und des Klassizismus.

Die Dame vom Stadtschloss war unsichtbar für die Außenwelt in einem der zehn Depots der Schlösserstiftung verschlossen. Eintritt haben nur Stiftungsmitarbeiter, Restauratoren und Kustoden. Und zwischen 2004 und 2007 durften auch drei Künstler in die Räume der Stiftung: die Potsdamer Claudia Hauptmann und Bernd Krenkel, aus Halle an der Saale Cornelia Böhme. Die Werke, die dort entstanden sind, zeigt die Schlösserstiftung und der Potsdamer Kunstverein in den Römischen Bädern im Park Sanssouci.

Jedem der Künstler ist ein Raum gewidmet. Malerin Böhme kennt die Skulpturensammlung von ihrem Bruder, der dort als Steinbildhauer arbeitet. 2005 durfte sie eine Woche in der Skulpturenhalle auf dem Schirrhofgelände arbeiten, im größten Depot der Stiftung. „Am Anfang war es wie im Totenreich“, sagt Cornelia Böhme bei der Pressevorbesichtigung.

Eine Woche, von morgens bis abends, hat sie in der Halle gezeichnet und gemalt. „Ich musste mich einschließen, weil die Figuren so kostbar sind“, erzählt sie. Einige der Werke sollen mehrere Millionen Euro wert sein, erklärt Kustodin Saskia Hüneke. „Und irgendwann sind die steinernen Figuren für mich lebendig geworden“, sagt Cornelia Böhme. Ihren Bildern sieht man das an. Aquarelle in kräftigen Farben, in leuchtendem Grün, Gelb und Rot. Böhme hat Szenen wie Traumsequenzen eingefangen. Mystisch. Ein Pferd, das gleich los zu galoppieren scheint – doch seine Augen sind merkwürdig leer. Tot. Eine Frau, die tanzt, ein kleiner Junge, der sich hingehockt hat, als wolle er Käfer auf dem Weg beobachten. Erst später erkennt man, dass beiden Hände und Füße fehlen.

Die Malerin hat den Figuren ihre alten Geschichten zurückgegeben. Geschichten, die sie in der Skulpturenhalle verloren hatten. Denn dort sind sie ihrer natürlichen Umgebung beraubt, ihrer Parks und Schlösser. Auf 1000 Quadratmetern stehen sie dicht an dicht gedrängt. Weiße Mamorskulpturen neben bronzenen Körpern, Zinkguss-Plastiken und Statuen aus Terrakotta. Werke, die restauriert oder vor der Witterung geschützt werden müssen.

Die gedrängten Skulpturenmassen zeigt die Künstlerin Claudia Hauptmann in ihren Fotografien. Als hätte sie eine Völkerwanderung abgelichtet. Sie hat Bilder voller Bewegung, voller Licht und Schatten erschaffen. Aber auch voller Witz und Poesie. Wie das Paar, das verliebt aneinander herumspielt. Es ist entblößt bis auf ein Gewand, das notdürftig die Scham der Frau bedeckt. Beim genaueren Hinsehen entpuppt sich der Stoff als Plastikfolie – Reste der Restaurierung.

Bernd Krenkel hat in seinen Zeichnungen vor allem die Formen festgehalten, mit wenigen geschwungenen Linien. Wer sie genau betrachtet, erkennt Augen, Münder, Locken. Da sticht ein Ellenbogen aus dem Liniengewühl, da ein Oberschenkel.

Ein Raum in den Römischen Bädern gehört den Protagonisten. Ein marmorner Odysseus, der behütete Kopf eines Chinesen vom Teehaus und der liegende Torso der Dame vom Stadtschloss. Außerdem will Saskia Hüneke während der Ausstellung drei Führungen durch die Skulpturenhalle anbieten. Die Termine stehen aber noch nicht fest.

Die Ausstellung in den Römischen Bädern ist bis zum 20. Juli von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt: 3 Euro.

Juliane Wedemeyer

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