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Kultur: Gespräche mit Nazis

Mo Asumang mit „Die Arier“ im Filmmuseum

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„Diese Kugel ist für dich, Mo Asumang“, lautet eine Liedzeile der rechtsextremen Band White Aryan Rebels. Für die afrodeutsche TV-Moderatorin und Regisseurin nicht die erste Drohung dieser Art und doch der Anlass, sich mit dem Thema Rassismus zu beschäftigen. Nachdem sie 2007 in ihrem ersten Dokumentarfilm „Roots Germania“ ihre Familienwurzeln auf einer Reise bis nach Ghana zurückverfolgt hat, geht Mo Asumang in ihrem im letzten Jahr erschienenen Dokumentarfilm „Die Arier“ der Frage nach, wer diese Arier überhaupt sind. Am Dienstagabend stellte sie „Die Arier“ im Rahmen der Potsdamer Filmgespräche im sehr gut besuchten Filmmuseum vor.

Asumangs Methode ist der persönliche Zugang. Auf ihrer filmischen Reise sucht sie stets das Gespräch und geht betont naiv, ja mit einer seltsam wirkenden Offenherzigkeit auf all jene zu, deren Feindbild sie vertritt: Rechtsextreme, Burschenschaftler, Nazi-Esoteriker, aber auch US-amerikanische Rassisten und Mitglieder des Ku-Klux-Klans. Oft stößt sie dabei auf ein verunsichertes Schweigen. Etwa in Wismar oder Potsdam, wo Asumang die Teilnehmer einer Nazi-Demo anspricht und diese versuchen, sie zu ignorieren oder wegzudrängeln. Einer der wenigen, die sich der Kamera stellen, ist Ronny Zasowk, ein führendes Mitglied der brandenburgischen NPD. Er will der Frau einen Rückführungsplan für Ausländer erklären, wirkt sichtlich irritiert, als sie ihn nach dem Verbleib ihrer Möbel fragt und bietet dann an, ihr beim Packen zu helfen. Seine harte Fassade ist da schon zerbröckelt, und genau auf diese Momente arbeitet Asumang ganz gezielt hin.

Denn: Solange Nazis keinen der Menschen, die sie hassen, persönlich kennen, gäbe es kaum eine Chance, die Erstarrung in deren Köpfen zu durchbrechen, sagt Asumang. Dies sei ihr wichtiger, als nur eine abstruse und verbrecherische Gedankenwelt zu entlarven, indem sie Nazis dazu bringe, sich vor der Kamera zu äußern. Einige Menschen, die sie in ihrem Film trifft, scheinen jedoch für dieses von ihr gewünschte Aufweichen der Fronten kaum greifbar zu sein. Etwa Tom Metzger, Gründer der „White Aryan Resistance“ in den USA, der Asumang im freundlichen Plauderton ins Gesicht sagt, dass ihr Vater, als Schwarzer, den Affen näher verwandt sei und eine „Gen-Entführung“ begangen habe. Dann jedoch umarmt er Asumang zum Abschied und deutet sogar an, dass diese „Hass-Sache“ im Grunde nur ein großes Geschäft sei. In einer der eindrücklichsten Szenen des Films sieht man Asumang nachts, an einem Waldrand, im Gespräch mit zwei maskierten Mitgliedern des Ku-Klux-Klans und fürchtet fast, die Situation könne eskalieren, da sich einer der Männer, von ihren Fragen bedrängt, zunehmend in Widersprüche verheddert. Tatsächlich sei ihr da mulmig zumute gewesen, sagt Asumang. Um etwas zu bewegen, dürfe man aber keine Angst haben.

Fast nebenbei erklärt Mo Asumang in ihrem Film, dass der Begriff „Arier“ im 19. Jahrhundert von Rassenkundlern aus der Sprachwissenschaft entwendet wurde, in der NS-Zeit als sinnentleertes Konstrukt diente und heute als Oberbegriff fungiert, unter dem sich Rassisten und Nazis weltweit formieren. Belegt ist die Selbstbezeichnung „arya“ nur aus Indien und dem Iran. Dort trifft Asumang dann schließlich auch „echte“ Arier, und freut sich noch immer über das spontane Gespräch, in dem ihr eine iranische Frau in die Kamera sagt: „Wir Arier sagen, Hitler war verrückt. Es gibt keinen Unterschied zwischen den Völkern. Das ist arisch.“ Daniel Flügel

Daniel Flügel

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