
© promo
Kultur: Getanzte Depression
Katrin Haneder und Sebastian Sommerfeld zeigten im „Nachtboulevard“ des Hans Otto Theaters ihre Performance „Pinkfreud“
Stand:
Plötzlich fängt die junge Frau an, zu sprechen. Den Oberkörper hat sie nach vorn gelehnt, die Ellenbogen auf die Knie gestützt. So sitzt sie unter den anderen und stülpt ihr Innerstes nach außen, indem sie über etwas spricht, das sie vereinzelt und freudlos macht – ihre Depression. Sie möchte „nicht Hinz und Kunz damit belasten“, nicht „selbst an sich herumdoktorn“. Ihr ist klar, dass sie professionelle Hilfe braucht.
Darum auch die Stuhlkreissituation, die eine Selbsthilfegruppe nachempfindet. Diese allerdings ist nur nachgestellt, denn die junge Frau ist keine Betroffene, sondern die Schauspielerin Katrin Haneder, die zusammen mit dem ihr gegenüber sitzenden Lebens- und Bühnenpartner Sebastian Sommerfeld unter dem Namen „Pinkfreud“ eine Performance entwickelt hat, die „Depression tanzt“.
Das Publikum an diesem Donnerstagabend ist ganz gemischt: Interessierte und Betroffene bleiben in der folgenden Stunde neugierig dabei, wenn die beiden Schauspieler im Wechsel zwischen Monolog und Bewegung präsentieren, was sie aus ihren vorangegangenen Interviews mit Betroffenen über die Krankheit in Erfahrung gebracht haben. Begriffe wie Burnout, Fehltritt, Schuld fallen. Immer wieder ist von der Angst vor Verantwortung die Rede, vom Funktionieren oder Erwartungshaltungen, die nicht erfüllt werden können. Schnell wird dem Zuschauer klar, dass die Künstler im Ergebnis ihrer Arbeit eine Collage erstellt haben, die aus Interviewschnipseln und Bewegungsmustern besteht, die die von ihnen wahrgenommenen und vielleicht etwas einseitig bleibenden Problematiken der Depression deutlich machen sollen, gibt es diese doch in ganz unterschiedlich ausgeprägten Formen. Dabei fällt auf, dass es eine weibliche und eine männliche Form der Krankheit gibt. Während die Bewegungen der Frau weich bleiben und zwischen lethargisch und hektisch wechseln, wirkt er aggressiv und fällt durch aufgesetzten Aktionismus auf.
So bewegen sie sich in der Mitte der Zuschauer auf einer weißen abgeklebten Fläche, suchen den Augenkontakt zueinander und auch zum Publikum, werden erschüttert und wortwörtlich niedergeworfen von der Traurigkeit und der Freudlosigkeit, dem Lebensunmut und den Selbstzweifeln, die das Krankheitsbild der Depression maßgeblich bestimmen. Scheinbar emotionslos versuchen sie, sich an schöne Dinge zu erinnern, bleiben dabei aber irgendwie unberührt.
Das Ende gerät dann etwas versöhnlicher. Während der Gespräche mit den Betroffenen hatten Katrin Haneder und Sebastian Sommerfeld erfahren, dass für einen der Interviewpartner die Klavierstücke von Bach oder das Werk von Mozart Linderung bedeuten. Und darum lassen sie sich endlich in deren Musik fallen, die bereits den Soundtrack des Abends lieferte und tänzeln, winken, schmücken sich mit pinkener Farbe, bevor sie sich fast mit Freude gegenseitig eine halbe Torte ins Gesicht schmieren.
Wieder am 27. März um 19.30 Uhr, im „nb“, Reithalle, Schiffbauergasse
Andrea Schneider
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: