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Von Almut Andreae: Gewächshaus für die Kunst

Inselpavillon auf der Freundschaftsinsel wird Domizil für den Brandenburgischen Kunstverein

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Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Das räumt Gerrit Gohlke, neuer geschäftsführender künstlerischer Leiter des Brandenburgischen Kunstverein Potsdam e. V. (BKV), wenige Monate nach der Erstbegehung des Inselpavillons auf der Freundschaftsinsel im PNN-Gespräch freimütig ein. Dem Verein war zu dem Zeitpunkt nur noch eine kurze Spanne verblieben, um sein langjähriges Quartier im Luisenforum zu verlassen. Eine für den Verein nicht tragbare Anhebung der Betriebskosten seitens des Vermieters hatte diesen Schritt unumgänglich gemacht. Der Fachbereich Kultur und Museum der Stadt Potsdam stellte angesichts dieses Dilemmas den von ihr betriebenen Inselpavillon als neues BKV-Domizil in Aussicht. Nach sorgfältiger Prüfung dieser Offerte steuert der Verein mittlerweile mit fliegenden Fahnen auf einen Neustart auf der Freundschaftsinsel zu. Die Würfel bezüglich der zum Teil umstrittenen Neunutzung des Pavillons sind nun gefallen. Kürzlich stattgefundene Gespräche zwischen der Stadtverwaltung, dem Grünflächenamt und dem BKV mündeten in der Zusage, dass der Verein den Inselpavillon zum 1. April bezieht.

Ausstellungen mit regionaler Kunst, die der Fachbereich Kultur und Museum bisher im Pavillon ausrichtete, werden künftig im Haus „Im Güldenen Arm“ in der historischen Potsdamer Altstadt gezeigt. Bekanntlich wird der Pavillon aber auch seit vielen Jahren durch den Verein der Freunde des Inselpavillons für eigene Veranstaltungen genutzt. Für den BKV ist es daher keine Frage, den Verein der Freunde neben den eigenen Aktivitäten mit zu berücksichtigen. „Wir wären gern Gastgeber“, stellt Gerrit Gohlke vorsorglich klar. Angedacht ist bislang, den Freunden der Freundschaftsinsel den Pavillon für begrenzte Projekte zur Verfügung zu stellen. „Ich finde, das ist ein ziemlich guter Verein“, sagt Gohlke anerkennend. Ihm imponiert die Hingabe und Begeisterung der Mitglieder für ihr Gartendenkmal. Im Laufe des Gesprächs signalisiert der künstlerische Leiter des BKV ein deutliches Interesse an Austausch, Dialog und Öffnung. Das Bild des Inselpavillons in seiner gläsernen Offenheit erscheint dabei wie ein Fixstern für inhaltliche Durchlässigkeit und die Bedeutung von Transparenz. Überhaupt scheint sich, angesichts der anstehenden Symbiose mit Pavillon und Insel, der Verein ein Stück weit neu auszuloten. So erwächst eine neue Programmlinie aus der Entscheidung, sich mit seinen künftigen Ausstellungen unmittelbar auf diese einmalige Örtlichkeit zu beziehen.

Sowohl die Architektur des Pavillons in seiner Geschichtsbezogenheit als auch die Insel als Gartendenkmal bieten Anknüpfungspunkte aus der Perspektive der zeitgenössischen Kunst. Wenn der BKV bald nach seinem Einzug in den Pavillon seine erste Ausstellung auf der Freundschaftsinsel eröffnet, wird dieser Impuls das bisherige Vereinsprofil gleichzeitig fortsetzen und erweitern. Kunst aus dem Dialog, der Reibung auch, mit anders gearteten Partnern – etwa aus der Wissenschaft – in neue Bezüge zu stellen und in der Öffentlichkeit in erweitertem Maße zu verankern, ist bezeichnend für die Aktivitäten des 1992 gegründeten Brandenburgischen Kunstvereins. Zur inneren Antriebsfeder wird nicht zuletzt dessen Selbstverständnis, als „Bühne und Labor für junge zeitgenössische Kunst“ zu agieren. Damit einher geht die Offenheit, sich auf ungewohnte Situationen einzulassen. Was liegt da näher, als sich mit Neugier auf die neue Nachbarschaft einzulassen?

Da ist einerseits der vor Ort verankerte Verein der Freunde der Freundschaftsinsel. Da ist aber genauso auch das Publikum der Freundschaftsinsel, das sich naturgemäß von dem des Luisenforums unterscheidet. Vielleicht birgt ja gerade das Flanieren der Besucher über die Insel eine ganz andere Offenheit für die künftig im Inselpavillon zu erlebende Kunst. Gerrit Gohlke juckt es förmlich in den Fingern, diese Chance beim Schopfe zu ergreifen. „Wir müssen den Leuten Angebote machen“, sagt er und hat diesbezüglich auch schon reichlich Pläne im gedanklichen Gepäck. Gespannt sein darf man unter anderem auf eine Erweiterung der bisherigen avancierten Linie um eine neue Besinnung auf den – nennen wir es – brandenburgischen Anteil, für den der Verein auf Landesebene ja namentlich nicht zuletzt eintritt. Angedacht ist in diesem Sinne eine stärkere Vernetzung der Vereinsaktivitäten hinein in den ländlichen Raum. Hier, ist sich Gohlke sicher, gibt es noch einiges Potential zu heben und Vorhandenes zu fördern.

Eine wichtige Funktion des Pavillons sieht er in dem Zusammenhang darin, Schaufenster für aktuelle Kunst zu sein: international wie „Made in Brandenburg“. Das Erleben von Kultur, so Gohlke, hat letztendlich ganz viel zu tun mit dem Bewusstsein für die eigene Identität. Vieles von dem, was er bei dem Gespräch zur Sprache bringt, dockt genau an dieser Grundidee an. Sie ist es möglicherweise auch, die ihm die Zuversicht schenkt, darauf zu vertrauen, dass der Wechsel zwischen künstlerischer Avantgarde und den auch vorübergehend im Inselpavillon begegnenden „Gartenschönheiten in Vasen“ ungeahnte Früchte trägt. Das Ganze klingt nach einem spannenden Experiment, das nun mit dem BKV ante portas definitiv beginnt. Vieles wird dabei ausprobiert – etwa eine durchgehende Bespielung des Pavillons durch alle Jahreszeiten – das ein oder andere womöglich wieder verworfen.

„Wir werden möglichst leer beginnen“, verrät Gohlke vorerst mit Blick auf die künftigen mobilen Hänge- und Stellflächen im Ausstellungsraum. Die Transparenz des Pavillons ist dabei beides: ein großer Schatz und eine Riesenherausforderung. Und hat vielleicht gerade deshalb das Zeug dazu, ein Gewächshaus zu sein für die zeitgenössische Kunst.

Almut Andreae

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