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Kultur: Gleiche Liga

Frank Göse stellt im HBPG seine Biografie über Friedrich I. vor

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Äpfel sollte man so wenig mit Nudeln vergleichen, wie Denk- und Handlungsgewohnheiten der Vormaligen mit dem Geist von gestern und heute. Jeder lebt und wirkt ja in den Koordinaten seiner Zeit, alles andere ist Interpretation. Aus Sicht des Potsdamer Historikers Frank Göse haben neben Friedrich II. „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg“ besonders die „borussische Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts“ viel Geringschätzung in das Bild Friedrich I. (1657-1713) gebracht. Immer wieder ruminierten sie, was der Herr von Sanssouci gegen seinen Opa vorzubringen wusste: Er sei „klein im Großen und groß im Kleinen“ gewesen, verschwendungssüchtig, mehr an blendendem Glanz als am Nützlichen interessiert. Der Enkel hat es dann natürlich viel besser gemacht, doch wird er Gründe haben, warum er den ersten König in Preußen so lausig stigmatisierte.

Frank Göse nun wollte in seiner „ersten modernen“ Friedrich-Biografie vermeiden, einen Früheren am Geist der Späteren zu messen. Dazu beamte er den „König, der sich selber krönte“, einfach in seine eigene Zeit zurück, studierte die Originalquellen innerhalb und außerhalb Preußens, Friedrichs I. eigene Zeit. Am Mittwoch wurde die Neuerscheinung des Verlages Friedrich Pustet im Potsdamer HBPG vorgestellt. Brechend voll der Vortragssaal, als der Autor mit einem Beitrag über das dynastische Bezugssystem der damaligen Fürstengesellschaft in sein 400-Seiten-Werk einführte.

Diese hochadligen Kreise, so Göse, waren nicht nur miteinander verschwägert, sie hatten auch ein gemeinsames Wertesystem. Dabei ging es nach dem Prinzip „Zeig vor, was du hast, dann weiß ich, wer du bist!“ um die Hierarchie und um „Schönheit“. Glanz und Gloria brachten Anerkennung, so war das im Barock ausgemacht. August der Starke oder sein kurfürstlicher Kollege Johann Wilhelm II. von der Pfalz verkörperten solche Typen. Der „Schiefe Fritz“ nicht. Er war klein und verwachsen, konnte wegen eines kranken Fußes und eines krummen Rückgrats nur schlecht reiten und gar nicht tanzen. Um mit den anderen auf Augenhöhe zu kommen, musste er einfach bauen, auch wenn das Staatssäckel litt. Wenn er an europäischen Fürstenhöfen nicht wie ein Zweitrangiger behandelt werden wollte, musste er nach der Königswürde streben.

Eine Episode aus dem Jahr 1698 zeigt, wie viel diplomatische Vorhandlung nötig war, bevor der brandenburgische Kurfürst dem sächsischen König von Polen „mit gezimender Anrede“ entgegentreten konnte. Solch barocke Feinheiten, meint Göse, hätte Friedrich II. schon nicht mehr verstanden, die Historiographen nach ihm erst recht nicht. Na ja, andere nannten das friderizianische Bosheit und Eitelkeit.

Ein kleiner Ausschnitt nur aus einem großen und inhaltsschweren Buch. Zu seiner Präsentation hätte sich gewiss auch anderes finden lassen: das problematische Verhältnis zum Vater, Staats- und Religionspolitik, Verwaltung und Armee, fein gefädelte Heiratsstrategien, Frauen und Kinder.

Letztlich hat man wohl die vorsichtige Korrektur eines Geschichtsbildes vor sich, das auf EffZwo zurückgeht. Dazu gehört unter anderem Friedrich I. Politik einer Aufwertung der protestantischen Reichsstände und der Nachweis, dass sein Staatshaushalt (außer von 1709 bis 1711) weitgehend intakt war, also keine Verschwendung! Und dies alles in einer „politisch hochbrisanten Zeit“. Wie Frank Göse Brandenburg-Preußen um 1700 zu den „bedeutendsten Reichsterritorien“ zählt, so kürt er diesen Friedrich am Schluss seines Buches zu einem deutschen Barockfürsten der ersten Reihe, „nicht mehr – aber auch nicht weniger!“ Trotz aller „Unzulänglichkeiten“. Es können halt nicht alle schön und vollkommen sein. Gerold Paul

Gerold Paul

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