Kultur: Glücklich in Italien
Lesung aus Joachim Fests „Im Gegenlicht. Eine italienische Reise“ in den Römischen Bädern
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Kaum ein Autor wurde so missverständlich mit den Figuren seiner Forschungen in Verbindung gebracht wie Joachim Fest. Als er 1973 seine mittlerweile inmehr als zwanzig Sprachen übersetzte Hitler-Biografie veröffentlichte, waren nur wenige bereit zu erkennen, wieviel Disziplin, zuweilen wohl auch Selbstüberwindung notwendig waren, um den bis dahin herrschenden „Mythos Hitler“ zu entschlüsseln und den Diktator in Augenhöhe mit seinen Landsleuten zu bringen.
Sein Vater, der 1933 von den Nazis aus dem Schuldienst entlassen wurde, wollte den Sohn vor der intensiven Beschäftigung mit dem Dritte Reich bewahren und befand, dies sei ein „Gossenthema“. Er solle sich doch lieber mit den Medici und der italienischen Renaissance beschäftigen. Joachim Fest teilte diese Ansicht nicht, obzwar er strickt zwischen Pflicht und Neigung zu unterscheiden pflegte. Und die Neigung war eben Italien, von Beginn an. Oftmals hat er zur Verwunderung seiner Hitler-Speer-Untergang-Leser von seinem Reisebrevier „Im Gegenlicht“ gesprochen, das nur wenige gelesen hatten. Und er geriet ins Schwärmen über das eigene Buch, über dem ein Abschied schweben sollte von der mediterranen Welt, wie sie ihm durch Jacob Burckhardt und Goethe überliefert wurde und wie er sie selbst während seiner Reisen zwischen 1977 bis 1987 erlebt hat. „Lauter Abschiede“, so der ursprünglich geplante Titel, sollte die Verluste aufzeigen, die durch die Architekten und Touristen der Gegenwart entstanden waren.
Das Buch nährt sich anders als Goethe von Süden her, es beginnt mit Messina und Syrakus auf Sizilien und endet im alles verschlingenden Rom. Glänzend schon im ersten Kapitel die Charakterisierung des sizilianischen Wesens: „Kleine Dörfer, wie im Schlaf unter der Mittagsglut. Ein undeutlicher Heroismus, der mit Alter und vergeblicher Auflehnung, mit Vergänglichkeit eher als mit Vergangenheit zu tun hat.“ Wie so oft wird auch das Geschaute zum Spiegel des eigenen Wesens. Beim Anblick der kaum übertünchten, geschleiften Spuren aus der faschistischen Ära, fällt der Unterschied zu
Deutschland auf. Fest läßt seinen Freund Mauro Levi sprechen: „Italien brauchte keinen Mussolini, um zu wissen, daß die Welt von Schurken und Scharlatanen regiert wird. Mit den Deutschen ist das anders. Sie wurden von Hitler überrumpelt und sind es im Grunde immer noch. Daher rühre auch die sonderbare Aufgebrachtheit, mit der sie aller Welt ihre banale Entdeckung aufzunötigen versuchten. In Wirklichkeit sei soviel Gereiztheit aber nur eine Form der Verdrängung.“ Unter der südlichen Sonne wird vieles klarer, die Nebel im Kopf müssen weichen. Mit diesem Buch in der Hand wird man ein glücklicher Urlauber; nicht nur in Italien. Von welchem Buch kann man das schon sagen.
Hendrik Röder
Lesung aus „Im Gegenlicht“ mit Klaus Büstrin So. 5. August, 11 Uhr, Römische Bäder Sanssouci, Vorbestellungen unter 0331/2804103.
Hendrik Röder
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