Kultur: Glückliche Zufälle
Der Regisseur Kurt Weiler kam ins KIBuZ
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Der große Raum ist voll besetzt, als am Dienstag im KIBuZ in der Reihe „Jüdische Künstler im deutschen Film“ ein Gespräch zwischen dem Regisseur Kurt Weiler und der Filmhistorikerin Elke Schieber stattfindet. Der 86-jährige Kurt Weiler gehört zu den bedeutendsten deutschen Animationsfilmern. Er steht mit seinen Arbeiten in der Tradition der Avantgarde der 20er Jahre.
An diesem Abend erzählt er, dass er im 10. November 1938 einen Tag nach den Pogromen gegen jüdische Bürger gemeinsam mit seinem Vater verhaftet wurde, aber wegen seines Alters wieder frei kam. Später wurde der begeisterte Zeichner von mehreren Zufällen, beglückt. In der englischen Emigration lernte er bei Peter Sachs in der Filmfirma Larkins & Co. das Handwerk eines Trickfilmers.
Als er 1951 nach Deutschland zurück kehrte, wollte Kurt Weiler mit seinen Filmen dazu beitragen, dass sich die Nazizeit nicht wiederholt und ging deshalb in die DDR. Er hoffte, dass sich in einer sozialistischen Gesellschaft etwas verändern ließe – eine Hoffnung, die sich für ihn nur zum Teil erfüllte. Hatte er doch in der DDR immer wieder Schwierigkeiten, seine ästhetischen Vorstellungen vom Trickfilm durchzusetzen. Kurt Weiler freute sich am Abend im KIBuZ sehr über die lebendige Diskussion, in der viele Fragen nach seiner Biografie und dem Schicksal seiner Familie gestellt wurden.
Das Sujet seines Films „Die Suche nach dem Vogel Turlipan“ (1977), die Suche nach dem eigenen Weg und – im übertragenen Sinne – nach dem Glück, traf einen Lebensnerv des Publikums: Sind doch gerade die jüdischen Zuwanderer auf der Suche nach dem Glück nach Deutschland gekommen. Werden sie es hier finden?
„Immigration ist oft kein einfaches Brot“, sagt der Leiter des KIBuZ, Nikolai Epchteine. Deshalb ist es das wichtigste Anliegen des 2003 als Zweigstelle der ZWST (Zentrale Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V.) gegründeten Kultur-, Integrations- und Begegnungszentrums, jüdische Zuwanderer in Potsdam bei ihrer Integration zu unterstützen. Damit ist nicht nur die Integration in die deutsche Gesellschaft gemeint, sondern auch die in die bestehende jüdische Gemeinschaft.
Die Lektionen zu jüdischer Geschichte, Aktivitäten, die jüdische Bräuche und Traditionen pflegen oder Vorträge zu Aspekten aktueller Politik gehören ebenso selbstverständlich zum Angebot des KIBuZ wie soziale Beratungen, Sprach- oder Computerkurse. Alle jüdischen Migranten kommen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Achtzig Prozent von ihnen sind Akademiker, darunter viele Doktoren und Professoren.
Nikolai Epchteine, Biologe, war bis zu seiner Emigration an der Moskauer Tirimeazew-Akademie tätig. „Kunst“, meint er, „kann ein sehr erfolgreicher Weg zur Integration sein“. Die Vielzahl von künstlerischen Initiativen und kulturellen Veranstaltungen sind offen für alle und werden auch von „einheimischen“ Potsdamern gern besucht.
Das Spektrum reicht von der literarischen Werkstatt, in der sich jüdische und deutsche Autoren gleichermaßen erproben, über Fotoausstellungen bis hin zu Abenden für Liebhaber der klassischen oder Jazzmusik. Die Gründung eines Filmstudios wird vorbereitet, zwei kleine Filme sind bereits gedreht.
Und Enthusiasten arbeiten an Tafeln für ein Museum der modernen jüdischen Geschichte. Dieses Museum soll eine Brücke schlagen zwischen der jüngeren Geschichte und Gegenwart von Juden im Land Brandenburg. Gabriele Zellmann
Gabriele Zellmann
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