Kultur: „Gotteshaus wird nicht missbraucht“
Pastorin Hildegard Rugenstein und Historikerin Silke Kamp zum HOT-Projekt
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Pastorin Hildegard Rugenstein und Historikerin Silke Kamp zum HOT-Projekt Was im Mittelalter gang und gäbe war, scheint für heutige Zeitgenossen oftmals ungewöhnlich zu sein: Theater in der Kirche. Natürlich braucht so mancher am Heiligabend sein Krippenspiel. Doch der literarische Theatertext ist selten in einem sakralen Raum zu hören, geschweige, dass man ihn in einer szenischen Interpretation erlebt. Da gibt es Ängste vieler Gemeindeglieder, dass die Würde des Gotteshauses durch provozierendes Spiel verletzt werden könnte. Das Hans Otto Theater fragte beim Presbyterium der Französisch-Reformierten-Gemeinde an, ob es zum Auftakt seiner Saison 2004/05 eine Dramatisierung des Tolstoi-Romans „Krieg und Frieden“ in der Französischen Kirche spielen könne. „Wir haben uns mit der Vorlage, dem Stück und dem Regiekonzept intensiv auseinander gesetzt“, sagt Pastorin Hildegard Rugenstein. „Ja, wir haben als Kirchengemeinde viele Gemeinsamkeiten mit dem Roman und der Bühnenfassung entdecken können. Die ökumenischen Montagsgebete, die in unserer Kirche stattfinden, haben das selbe Interesse wie das Theaterstück: Menschen zu verdeutlichen, dass Kriege Familien zerstören, Hass und Tod bringen. Die Sehnsucht nach guten Beziehungen und nach Frieden bewegt uns nach wie vor, Christen und Nichtchristen. Tolstois ,Krieg und Frieden“ ist aktuell geblieben.“ Das Gotteshaus wird von Regisseur Gisbert Jäkel, so die Pastorin, nicht affekthascherisch missbraucht. „Natürlich geht es in dem Stück manchmal auch derb zu. Aber wenn man im Alten Testament liest, entdeckt man Geschichten, die erschrecken.“ Die Historikerin Silke Kamp, die über die Französische Kirche promoviert, meinte, dass es der Gemeinde wichtig sei, dass der Charakter der Kirche erhalten bleibe. Sie soll nicht nur eine Theaterbühne sein, sondern sich in den Vorstellungen als Gotteshaus zu erkennen geben. Darin liege für sie der Reiz des Projekts. „Unbeabsichtigt gibt die Inszenierung dem Innenraum ein Teil seiner ursprünglichen Gestalt zurück. Denn wie in einem Theater, sitzt das Publikum auf einer Tribüne, einem Podest mit nach hinten ansteigenden Reihen. Und dies entspricht der von Friedrich II. ersonnenen Sitzordnung für die Französische Kirche Kirche, des Amphitheaters“, so Silke Kamp. Schinkel hat in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts die Kirche besucht. Er hat einen Raum erlebt, der vom Zahn der Zeit angegriffen war. Er ließ eine neue Kanzelwand und Bänke einbauen. Außerdem stimme es nicht, so die Historikerin, dass die Franzosen, das Gotteshaus als Pferdestall benutzten und die Inneneinrichtung zerstörten. „Von 1806 bis 1808 war es ein Futterdepot, denn die rund 8000 Pferde mussten in der Stadt ja versorgt werden. Potsdam war nämlich Hauptkavallerie-Standort der französischen Armee“. Klaus Büstrin
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