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Kultur: Grasswurzelnazis

Toralf Staud über „Moderne Nazis“ und den Aufstieg der NPD bei Wist

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Toralf Staud über „Moderne Nazis“ und den Aufstieg der NPD bei Wist Es ist ein unappetitliches Thema, das der „Zeit“-Journalist Toralf Staud auf Einladung der Konrad Adenauer Stiftung im Literaturladen von Carsten Wist vorstellte. Für die Recherche zu seinem Buch „Moderne Nazis. Die neun Rechten und der Aufstieg der NPD“ (Kiepenheuer & Witsch) über die älteste rechtsextreme Partei Deutschlands, die NPD, und ihre moderne Strategie, die gerade im Osten Deutschlands Erfolge feiert, hat der 33-Jährige den Neonazis in die Augen geschaut. Und er hat mit ihnen auch gesprochen. Mit dem Parteivorsitzenden Udo Voigt, der die ehemals reaktionär-konservativen Alt-Nazi Partei für andere Neo-Nazi Gruppen konsequent öffnete und dafür sorgte, dass seine Partei in vielen ostdeutschen Gebieten auf Jugendliche erheblichen Einfluss ausübt. Oder mit Holger Apfel, Fraktionschef der NPD im sächsischen Landtag. Toralf Staud ist in die ost- und westdeutsche Provinz gefahren, um sich den Einfluss der Rechten auf kommunaler Ebene anzusehen. Es war in Wurzen, das unter Nazis als „befreite Zone“ galt, und hat herausgearbeitet, wie es sich in einer solchen Gemeinde wohnt. Über seine Motive und Gefühle zu seiner Arbeit sagt Staud während des Abends den engagierten Zuhörern nichts. „Ich warne immer davor, zu viel Angst zu haben“, sagt der Autor und meint damit, dass zu viel Angst die rationale Auseinandersetzung behindert. Denn Staud vertritt das klassische Ideal des Journalismus: Er beschreibt, sammelt Information und führt Gespräche in einer fast heldenhaft anmutenden Zurückhaltung. Der Leser soll nicht sagen können, er habe nichts gewusst, seine eigene Person spielt hier hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Die NPD, so der Autor, arbeite gezielt an einer „Faschisierung der Provinz“, der Einzug in den Bundestag war in der zurückliegenden Wahl gar kein Ziel der Partei. Der Wahlkampf wurde genutzt, um die lokalen Kandidaten und Funktionäre noch bekannter zu machen. In Gemeinden wie Königstein in der Sächsischen Schweiz funktioniere diese Strategie – Staud nennt sie „Graswurzelrevolution“- „goldrichtig“. Zählt man nicht die Stimmanteile, so Toralf Staud, sondern die „Einstellung“ der Menschen, dann kämen die Rechten auf 30 Prozent. Der „nette Nazi von nebenan“ im Stadtrat, der die Ideale von „Ordnung, Disziplin und Sauberkeit“ vorlebe, ist beliebt. „Man muss so handeln“, heißt es in einem Kaderpapier aus dem Staud zitiert, „dass man auf einem Meer der Sympathie schwebt.“ So ist es bemerkenswert, dass Übergriffe rechtsradikaler Gewalt in jenen Gebieten sogar sinken, in denen die NDP mit Ortsverbänden vertreten ist. Prügelnde Skinheads passen eben nicht in das neue Bild. Auch in Westdeutschland gibt es Hochburgen der NPD, wie Ehringshausen in Mitelhessen mit bis zu 20 Prozent der Stimmen bei Kommunalwahlen, die man zu Höchstzeiten gewann. Diese seien jedoch durch bürgerschaftlichen Widerstand relativ isoliert. Der Unterschied zur Situation im Osten sei gravierend. Im Osten, so Staud, treffe man auf eine „ausgeprägte rechte Subkultur“, die das Voranschreiten der Partei begünstige. Die Neonazis hätten dort vielfach bereits die „Mitte“ besetzt. Sie tut dies geschickt, indem sie sich an die Jugendkultur „heranhängt“ – laut Staud die gefährlichste Entwicklung des Rechtsradikalismus. Toralf Staud hat ein mutiges Buch geschrieben. In ihm steht, welcher Gefahr unsere Gesellschaft durch die „modernen Nazis“ ausgesetzt ist und auch, wie man auf sie reagieren sollte. Zunächst einmal: Man muss die Gefahr ernst nehmen. Matthias Hassenpflug Morgen um 20 Uhr liest bei Wist Andreas Ulrich aus „Zwei Kilometer Deutschland“.

Matthias Hassenpflug

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