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Kultur: Graue Häuser, blasse Menschen

Ein Theaterprojekt am Schiller-Gymnasium mit Brigitte Athéa

Stand:

Ein Theaterprojekt am Schiller-Gymnasium mit Brigitte Athéa Potsdam-Kirchsteigfeld an einem Freitagnachmittag. Sehr junge Eltern schieben den Kinderwagen über die Tramschienen, zwei Schuljungen schleppen einen Bierkasten und Waschpulver nach Hause. In den noch blattlosen Sträuchern hängt Müll, auf dem Gehweg liegen die Scherben einer zerschmissenen Bierflasche. Am Ende der Straße ist das internationale Schiller-Gymnasium, ein Plattenbau unter vielen. Der Raum im Keller ist niedrig und klein, knapp dreißig Leute nehmen in den drei Stuhlreihen Platz. Vorne ein niedriges Podest, eine enge Fläche, die als Bühne dient. „Träume leben“ Im vergangenen Jahr hatte die Autorin, Schauspielerin und Regisseurin aus Paris, Brigitte Athéa, ihren Theatertext für Jugendliche „La ville multiple“ (Die vielfältige Stadt) im Schiller-Gymnasium vorgestellt. Damals war sie Stipendiatin der Genshagener Schriftstellerwochen des Berlin-Brandenburgischen Instituts für Deutsch-Französische Zusammenarbeit in Europa (BBI). Und damals entstand, zusammen mit Doris Ette, Leiterin des Sprachbereichs Französisch, die Idee, mit Schülern dieses Potsdamer Gymnasiums ein Theaterprojekt zu machen. Dank der Unterstützung unter anderem des BBI, des Institut français und der französischen Botschaft konnte Brigitte Athéa zur diesjährigen Projektwoche ans Schiller-Gymnasium geholt werden. Unter dem Titel „Träume leben“ waren die Schüler der Klassen 8 bis 10 fünf Tage lang an unterschiedlichsten Projekten beteiligt. Brigitte Athéa hat mit drei Schülern und sieben Schülerinnen der 10. Klassenstufe an Szenen aus ihrem Theatertext „La ville multiple“ gearbeitet. Kurze Dialoge auf Französisch und Deutsch, Situationen in einer Stadt, in der Menschen sich treffen und verlassen, miteinander reden oder aneinander vorbeigehen. Für die Schüler war es die erste Theatererfahrung. Mit Körperarbeit und genauer Choreographie hat Brigitte Athéa die Jugendlichen in der kurzen Zeit so weit gebracht, dass sie sich konzentriert und ausdrucksstark auf der Bühne bewegten und ihnen poetische Momente gelangen. Der Französischlehrerin Doris Ette ist es ein Anliegen, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur eine Sprache lernen, sondern auch die andere Kultur in persönlichen Begegnungen erleben. In möglichst einprägsamen Begegnungen mit Persönlichkeiten, die ihren Erfahrungshorizont erweitern können. Dafür setzt sie sich ein, Begegnung statt Vorurteile. Brigitte Athéa sei jemand, so erzählte Doris Ette, die alles was sie sieht und erlebt kreativ umsetze. Negative Stadterfahrung In diesem Sinne wurden die Schüler aufgefordert, ein Gedicht über ihr Erleben der Stadt zu schreiben. Nachdem alle zunächst der Meinung waren, sie könnten das nicht, kamen schließlich doch Gedichte heraus, die an der Wand des Kellerraumes aufgehängt wurden: „Ob kleine Stadt ob große Stadt, alle sind gleich, überall findet Krach statt, die Menschen sind blass und bleich...“; „... grau, alles grau, die Gesichter, die Häuser, der Himmel, die Zeit sie rennt dahin, deswegen rennen sie.“ Es überwogen negative Stadterfahrungen, Lärm, Stress, Gewalt, Rassismus. Einfach und wirkungsvoll Ob die Jugendlichen ihre Stadt wirklich so erleben oder ob sie nur die Erfahrungen wählten, die in dem didaktischen Zusammenhang auf Zustimmung der Pädagoginnen stießen? Auf jeden Fall flossen ihre eigenen Erfahrungen nicht in das ein, was in der halben Stunde auf der Bühne zu sehen war. Dort spielten sie die Studentin, die ihren Freund verlässt, den verängstigten jüdischen Jungen von dem Foto, mit dem gelben Stern auf der Brust. Den Blinden, der mit ins Museum kommen will und die Stadt so genau beschreibt, als könnte er sie sehen. Doch beeindruckend war, mit welch einfachen Mitteln eine Theateratmosphäre erzeugt worden war und wie die Jugendlichen sie auszufüllen imstande waren. Die in Paris lebende Brigitte Athéa hofft, ihr Stück, das mittlerweile auch auf Deutsch erschienen ist (Felix Bloch Verlag), irgendwann auf einem Theater inszenieren zu können. Und Doris Ette wird alles daran setzten, die fruchtbare Zusammenarbeit mit Potsdam fortzuführen. Dagmar Schnürer

Dagmar Schnürer

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