Kultur: Grütze & Friends
Potsdamer Musikkabarettduo reimte für Comédy Soleil / Freunde der Kleinkunstszene spielten bis zur Entfesselung
Stand:
Die um die Jahreswende angekündigte und mittlerweile abgewendete Schließung des kleinen Privattheaters Comédie Soleil in der Feuerbachstraße war für viele Potsdamer eine peinliche Angelegenheit. Jeder empfand wärmste Sympathie zu dem Haus, das die freie Szene vielfältiger machte. Doch manche spendeten Anerkennung, ohne je den Weg in das Hinterhoftheater gefunden zu haben.
Für das Potsdamer Musikkabarettduo Schwarze Grütze ist es ein Leichtes, in der Stadt einen Saal zu füllen. In den zehn Jahren ihres Bestehens haben sie sich eine regelrechte Fangemeinde erspielt. Stefan Klucke und Dirk Pursche, die auch das Alternativ-Projekt im Melodie-Kino einst mit Auftritten unterstützt hatten, baten ihre Freunde nun zu einer Art Benefiz-Konzert für das Theater. Schwarze Grütze All-Star-Ensemble, sozusagen. Und so erlebte das stimmungsvolle Tonnengewölbe wahrscheinlich einen der bestbesuchten Abende seiner Geschichte. Klucke und Pursche fungieren mit ihrer langen Bühnenerfahrung und den zahlreichen Kleinkunstpreisen wie Paten für die von ihnen eingeladenen Talente aus der Stadt. Immer mal wieder lassen sie sich auch nach ihrem eigenen Programm auf der Bühne sehen, singen mit, sagen an, begleiten musikalisch und klammerten den Abend auf diese Weise zu einem dreistündigen Erfolg, der sich zur Wiederholung anbietet, möglicher Titel: Grütze & Friends.
Die rasanten Wortspiele des Kabarettistenduos über den armen Herrn Peters, dessen Selbstmord vom Dach zu einer medialen Farce eskaliert, über den sanften Cowboy Gunther und seine Mund-Haar-Monika oder die Frage, warum man eigentlich sein Kind nicht Adolf nenne, sind schon moderne Klassiker des Genres. Musikalisch ausgefeilt arrangiert, ungemein witzig und mit Schwindel erregenden Wort- und Reimkaskaden waren die annähernd einhundert Zuschauer genug erobert, um auch die folgenden Künstler mit Begeisterung zu empfangen.
Der Jongleur, „sprechende“ Pantomime und Zauberkünstler Gregor Wollny spielte sich über den Wahrnehmungs-Dreischritt Niedlichkeit – Mitleid – Lächeln in die bereits offen stehenden Herzen. Mit einem Pappkarton auf dem Kopf, der „Todesbox“, schafft er (fast) die Illusion einer 360 Grad-Wendung. Ein offensichtlich billiger Trick, doch die Kunst besteht darin, jemanden aus der ersten Reihe dazu zu bringen, vorher aufzustehen und „Leg los, du Teufelskerl!“ zu brüllen. Wollny konnte sich auf den Saal verlassen, ihn mit Ohs und Ahs des Staunens zu begleiten, auch als er unter seinem Zaubermantel (fast) zu schweben schien.
Viel Selbstironie brachten Friedhelm und Volker mit ihren ins derbe Märkische übersetzten Popsongs mit. Aus der Hardrock-Hymne „Nothing else matters“ von Metallica wurde ein „Aber det macht mir eigentlisch gar nischt“. Adidashose und Karojackett, dazu exzellente Gitarrenbeherrschung durch Friedhelm: das kam gut an. Die sich anschließenden soften Deutschrock-Songs von Ruben passten vielleicht am wenigsten in das Programm, weil ihr Appell an Aufrichtigkeit und Tatendrang („Tu’s“) kategorisch ohne die Doppelbödigkeit des Nonsens auskommen müssen. Ruben klang auch etwas heiser. Dann DDR. Richtig, „da gab es schon mal eine Band die so hieß, 40 Jahre lang“, meint Dirk, der mit Dietmar und Rubens Anfangsbuchstaben eine „Hobby- und Spaßband“ formierte. Die Drei hätten nun ihren „Beruf zum Hobby gemacht“. „Quark ist auch nur vergammelte Milch, warum soll nicht auch aus mir noch ’was werden?“, so ihr erstes Lied, das den Charakter ihres Repertoires gut andeutet. Es wurde später und damit rauer, lauter und trashiger. Zeit, dass die Schwarze Grütze der drohenden endgültigen Entfesselung mit einem letzten Lied ein Ende bereitete und ihr Publikum in die Nacht verabschiedete. So ließe sich das Programm von Comédie Soleil sicher gut anreichern: Mit Kabarett, Marke Potsdam. Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: