
© Markus Nass
Andrea Sawatzki liest im Waschhaus Potsdam: Gundula im Hochzeitsfieber
Heute Abend liest Andrea Sawatzki aus ihrem neuen Buch im Waschhaus Potsdam. Es ist das dritte über die Chaos-Familie Bundschuh.
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Potsdam - Sie heißen Gundula und Gerald, haben drei Kinder, zwei Hunde und jede Menge Anverwandte. Und lassen keine Familienkrise aus. Familie Bundschuh ist eine Erfindung von Andrea Sawatzki, die Schauspielerin hat gerade den dritten Band der Chaosbande geschrieben. Nach der Weihnachtsgeschichte „Tief durchatmen, die Familie kommt“ von 2013 und „Von Erholung war nie die Rede“, einem Buch über Ferien mit der Familie von 2014 erschien vor wenigen Tagen bei Piper „Ihr seid natürlich eingeladen“.
Wie viel steckt Andrea Sawatzki steckt in Gundula Bundschuh?
Dieses Mal muss die Mutter die eher plötzliche Hochzeit ihres Sohnes vorbereiten. Die Braut aus den USA ist Afroamerikanerin und bringt eine multikulturelle Familie mit. Das überfordert die Bundschuhs dann doch ein bisschen. Am heutigen Freitag liest Schauspielerin und Autorin Andrea Sawatzki im Waschhaus daraus vor.
Wie viel von ihr selbst steckt in dieser Gundula? „Sie ist in meinem Alter. Ich kenne ihre Sorgen und Ängste“, sagt Sawatzki. Sie kenne und beobachte natürlich auch andere Paare. Da rede man schon mal aneinander vorbei, so wie es Gundula und Gerald tun. Im Grunde, sagt Sawatzki, kriselt deren Ehe von Anfang an, schon im ersten Buch. Auch wenn das immer recht lustig klingt.
Sawatzki möchte ihre Figuren bloßstellen
Aber trotz all der Komik, die in den Dialogen steckt, sollen die Bücher nicht nur oberflächlich sein. Der neue Band zeigt den versteckten Alltagsrassismus, auch in der Familie Bundschuh. „Ich möchte die Figuren ein bisschen bloß stellen, zeigen, dass sie gar nicht so weltoffen und tolerant sind, wie sie immer meinen“, sagt Sawatzki. „Die reagieren schon einigermaßen rassistisch.“
Im Text liest sich das dann so, zum Beispiel bei der Begrüßung des Sohnes am Flughafen: „,Rolfischatz, wo hast du denn deine Lieben gelassen?’ ,Da stehen sie doch!’, rief Rolf ausgelassen und deutete hinter sich. ,Wo?’ Ich sah nur die drei Ausländer. ,Na da, Mami, bist du blind?’ In dem Moment kamen die drei Menschen auf uns zu. Ein älterer schwarzer Mann, ein fülliges schwarzes Mädchen mit blond gefärbtem Krisselhaar und eine alte Chinesin. Ich packte Geralds Hand. Sie war eiskalt...“
Natürlich sympathisiert man dennoch mit den Protagonisten. Im Grunde kann man nachvollziehen, was in deren Köpfen vorgeht. Gundula plagen große und kleine Sorgen. Wird das große Kind glücklich? Wo bringt man alle Gäste unter? Und warum bekommt sie diese dämliche Tischdeko nicht genauso schön hin wie in der Bastelanleitung?
Nicht alles steht bereits zum Anfang fest
Andrea Sawatzki, 53 Jahre alt, erfolgreiche Schauspielerin und Hörspielsprecherin, schreibt erst seit wenigen Jahren. Bisher erschienen zwei Psychokrimis und die Bundschuh-Familienserie. Schreiben und Schauspielern sei durchaus irgendwie ähnlich: „Es geht darum, Menschen zu beobachten und Biografien zu erschaffen“, sagt Sawatzki. „Beim Schreiben habe ich zudem die Freiheit, mir Geschichten und Figuren selbst auszudenken.“ Nicht alles steht von Anfang an fest. „Ich begleite sie während des Schreibprozesses, ich schaue, wie sich alles entwickelt und schreibe dann mit den Figuren mit.“ Zeit für ihre Bücher nimmt sich Sawatzki gern ganz zeitig am Morgen. Es kommt vor, dass sie um vier Uhr aufsteht, ein paar Stunden schreibt, dann mit den Hunden geht und die Kinder zur Schule bringt.
Sawatzkis eigene Familie, nicht ganz so verrückt wie die Bundschuhs, „aber auch nicht unchaotisch“, liefert Inspiration für die Romane. Nicht immer unbedingt Fakten, manchmal auch Zwischenströme zwischen den Figuren. Das Material gelangt allerdings stets verfremdet in die Bücher. Sonst gäbe es Klagen. Sawatzki ist mit Schauspielkollege Christian Berkel verheiratet und lebt in Berlin-Schlachtensee. Das Paar hat zwei Söhne und zwei Hunde. Die schafften es dann doch in die Bundschuh-Familie.
Gundula wolle zu 100 Prozent funktioneren
Auffällig ist die Dialoglastigkeit der Bücher. Kurze Sätze, Fragezeichen, Ausrufungszeichen, Imperative. „Dialog ist die beste Erzählform für schwarze Komödien“, sagt Sawatzki. Zackig und bisweilen ruppig wird geredet, und nicht immer passiert dabei auch etwas. Die Figuren, insbesondere „Gundula“, scheinen extrem unter Druck zu stehen, sie sind genervt und bleiben sich keine dumme Antwort schuldig. „Gundula will immer das Beste für ihre Familie, alles selbst in die Hand nehmen, zu 100 Prozent funktionieren. Aber wenn es hart kommt, dann findet sie keine wirklichen Antworten.“
Obwohl auf der letzten Seite der Satz „Alles war wieder gut“ steht, sei eben doch nicht alles wieder gut. Vielleicht wird es weitergehen mit den Bundschuhs. Immerhin, das Publikum ist interessiert, die beiden ersten Teile wurde bereits verfilmt – mit Andrea Sawatzki als „Gundula“.
Lesung am heutigen Freitagabend um 20 Uhr im Waschhaus, Schiffbauergasse, der Eintritt kostet 17 Euro.
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