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Kultur: Gurken in der Mattscheibe
Das ungleiche Paar Oliver Kalkofe und Achim Mentzel kabbelte sich in der Waschhaus Arena
Stand:
Es scheint eine seltsame Männerfreundschaft zu sein, die TV-Oberbloßsteller Oliver Kalkofe („Kalkofes Mattscheibe“) und die singende Spreewaldgurke Achim Mentzel („Achims Hitparade“) miteinander verbindet. Und genau so seltsam begann sie auch irgendwann. Dass Kalkofe sich Mentzel zur Zielscheibe seines Spotts machen würde, war ja beizeiten vorauszusehen und erstmals 1995 soweit. Und wer seine Fernsehkommentare beim Pay-TV-Sender Premiere – unverschlüsselt – verfolgt hatte, wird sich auch bestens an dessen garstig-bissigen, zuweilen unter die Gürtellinie zielenden Humor entsinnen: Kalkofe beleidigt, hetzt, polarisiert – das macht er gut und das hat auch durchaus seine Berechtigung. Dass er jedoch ausgerechnet vom Vorzeige-Ostdeutschen des schlechten Geschmacks und permanent gut gelaunten Clown Achim Mentzel vorgeführt wird, verdient Beachtung. Dabei ließ sich Mentzel einfach nur nicht aus der Ruhe bringen, als er von Kalkofe im Fernsehen persifliert wurde: „Meine Frau saß wie versteinert auf der Couch und ich lachte und sagte: ‚Mensch, Gitti, jetz geht’s ab nach‘m Westen!’“ Sahnehäubchen und süße Rache: Zur Ausstrahlung von „Achims Kinderhitparade“ stand eine Schultafel als Requisite im Hintergrund, auf der stand „Kalki ist Doof!“. Genial! Mitten im MDR!
Natürlich war von Anfang an allen Beteiligten klar, wer am Montagabend in der Waschhaus Arena das Zepter in der Hand halten würde, wenn hier Oliver Kalkofe und Achim Mentzel gemeinsam auftreten. Und genau so kam es auch: Kalkofe schob gleich zu Beginn den geknebelten und auf einen Drehstuhl gefesselten Mentzel auf die Bühne und dominierte ihn natürlich sofort. Na gut, das war auch nicht anders zu erwarten – Mentzel wurde im Laufe des Abends vorgeführt, verhört, verspottet, mit seinen Kinderbildern konfrontiert – allerdings biss sich Kalkofe an „seinem Idol“ die Zähne aus, alles perlte an der Selbstironie des ewig grinsenden Wahl-Cottbusers ab. Doch während die Schlagfertigkeit eindeutig auf der Seite Kalkofes war, sorgte Mentzels strahlendes, entwaffnendes Lachen für mehr Sympathiepunkte – ein ungleicher Kampf. Oder war es doch die Beharrlichkeit, mit der „Kalki“ auf „Achim“ einprügelte, die zu einer Sympathisierung mit dem Opfer führte?
Das Ganze sollte nun aber ein „Gernsehabend“ werden, und so wurden in schöner Regelmäßigkeit Einsprengsel von „Kalkofes Mattscheibe“ gezeigt. Freilich, eingefleischte Fans dürften die längst schon kennen, das Publikum im bis auf den letzten Platz besetzten Waschhaus schüttelte sich aber vor Lachen. Kalkofes Joker: pointierte Gift-und-Galle-Kommentare, die die Konzentration nicht allzu nachhaltig beeinflussten. Das zündete ja schon immer. Allerdings wäre es nicht zwingend nötig gewesen, dafür den saftigen Eintrittspreis zu bezahlen: Man hätte die beiden auch zu sich nach Hause einladen und sie die Videos auf Youtube kommentieren lassen können, welche sich allesamt schon längst dort finden. Aber die gut gelaunte Gesellschaft, die Kino-Atmosphäre und die beiden bierbäuchigen Herren, die sich zwischen den Filmchen die Taschen vollhauten, ließen darüber hinwegsehen. Und Kalkofe plauderte nebenbei ein bisschen aus dem Nähkästchen, vom „dicken Klaus“, dem einen Teil des bekannten Volksmusik-Duos Klaus&Klaus, welcher ihn verklagt hatte, oder: „Das Gefährlichste sind nicht die Künstler, die man verarscht, sondern die Fans. Und am allerschlimmsten: Flippers-Fans.“ Als Bonbon gab es zwei Leserbriefe, die Kalkofe vorlas.
Und dann kam das Unvermeidliche: Achim Mentzel sang! Das war nach all den Attacken Kalkofes nur fair. Während dieser – na klar – auf der Bühne angekettet wurde, gab Mentzel doch tatsächlich zwei Schlager zum Besten, wobei Kalkofe sich zunächst hinter der Bild-Zeitung versteckte und kurz darauf das Publikum mit sauren Gurken bewarf – zum Schluss jedoch sangen beide im Duett den Spreewaldgurken-Song Mentzels. Wie inkonsequent! Erst als Zugabe kam das, was viele bestimmt schon eher erwartet hatten: Ein Live-Kommentar Kalkofes ganz im „Mattscheibe“-Stil zur Pro7-Sendung „Der Glücksreport“. Na endlich! Warum nicht schon viel eher?
Eine interessante – und immer wieder thematisierte – Komponente des ungleichen Duos war dessen Ost-West-Hintergrund. Kam es hier etwa zur Symbiose zweier kulturell-historischer Kontexte? Das funktionierte verblüffend gut, wenn auch auf satirische Art. Aber Kalkofe und Mentzel als Repräsentanten einer funktionierenden ost-westdeutschen Harmonie – das ginge wohl zu weit. Sympathie scheint jedoch beiderseits eindeutig vorhanden zu sein, Mentzels Körpersprache war aber manchmal allzu defensiv. Und so blieb auch danach im Dunkeln, was diese beiden eigentlich so zusammenschweißt.
Oliver Dietrich
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