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Neue Ausstellung in der Villa Schöningen: Gut geknüllt, Löwe

Olaf Metzel stellte schon auf der documenta in Kassel aus – jetzt zeigt die Villa Schöningen einige seiner - wenig subtilen - Skulpturen.

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Olaf Metzel liebt den Krawall. Zumindest, wenn es um die Kunst geht. Da lässt er gerne Straßenschlachten und die reflexhaften Reaktionen des Boulevards aufeinanderkrachen. In seiner Arbeit „1981“ etwa stapeln sich Pflastersteine und rot-weiß-gestreifte Polizei-Absperrgitter. Metzel selbst ist aber eher ein ruhiger Typ, viel reden liegt ihm nicht. Zumindest nicht über seine Kunst. Beim Rundgang durch die Villa Schöningen, die ab dem 6. Juli eine kleine Retrospektive seiner Arbeiten unter dem Titel „umsonst und draußen“ zeigt, macht der Bildhauer schon klar: Der Betrachter muss auch selbst denken. Seine Werke wortreich erklären, das hat er nicht nötig.

Muss er auch nicht, es ist schließlich nicht das Wesen des Krawalls, sich zu verschlüsseln. Da steht etwa diese zarte Frau aus Bronze im Garten der Villa. Komplett nackt – nur ihr Haar ist mit einem Kopftuch bedeckt. „Turkish Delight“, heißt die Arbeit aus dem Jahr 2006, und es ist nicht schwer zu erraten, worum es Metzel hier geht. Die Freiheit der abendländischen Kultur streitet – auf dem Schlachtfeld des weiblichen Körpers – mit der Religionsfreiheit des Islam. Vielleicht karikiert der Widerspruch zwischen verhülltem Kopf und entblößtem Körper auch einfach die Absurdität von Verboten in einer globalisierten Welt?

So oder so, die Skulptur steht für eines von Metzels Grundprinzipien: Die permanente Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen. Dieses Interesse durchdringt sein Werk seit mehr als 30 Jahren. Gleichzeitig fällt die Bronzeplastik auch ein wenig aus dem Rahmen der Ausstellung: Sie ist eine klassisch figürliche Plastik, ein Abbild der Natur. Bei vielen anderen Arbeiten bricht Metzel, seit 1990 Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München, die einzelnen Genres auf: Skulptur, Malerei und Fotografie fügen sich zu etwas Neuem zusammen. Zwei Grundmuster aber ziehen sich durch seine Arbeit: der Krawall – und die Zeitung. Kein Zufall vielleicht, dass der 1952 in Berlin geborene Metzel gerade 1987 an der „documenta“ in Kassel teilnahm, deren Leiter Manfred Schneckenburger hatte den Schwerpunkt auf die Themen Krieg und Gewalt gelegt.

„Die Zeitung ist, neben Zigarette und Kaffee, das Erste, was man morgens in den Händen hält“, sagt Metzel. Ihm gefällt die Haptik des dünnen, für den schnellen Konsum gemachten Papiers. Man kann es leicht zusammenknüllen – „schon das ist eine bildhauerische Arbeit“. Wohl deshalb kann er sich auch nicht vorstellen, auf modernere Medien zum Zeitungskonsum wie Handys und Tablets als Rohstoff seiner Werke umzusteigen. Viele seiner – teils sehr großen – Arbeiten scheinen aus zerknautschten Zeitungsseiten zu bestehen. Die gedruckten Nachrichten des Tages sind bei ihm Form und Inhalt zugleich. Naja, ganz so einfach ist es natürlich nicht, denn so gut Papier sich formen lässt, so fragil und vergänglich ist es auch. Also druckt er die Zeitung auf Aluminiumbleche – die sind zwar nicht so einfach zu biegen, aber dafür haltbarer. „Ich mag es, den Widerstand zu spüren“, sagt Metzel – und das passt ja auch zu seinen Sujets.

Für manche seiner Provokationen musste sicher auch er selbst Kritik einstecken. „Frauen putzen besser“, heißt etwa eine seiner Arbeiten aus dem Jahr 2002, für die er Schaumstoffreste, Fußabtreter und – wieder auf Aluminium aufgezogene – Seiten aus Pornoheften auf alte Skistöcke aufgespießt hat. Wie gut bestückte Käsehäppchen auf bunten Zahnstochern ragen sie jetzt aus einer Wand im Obergeschoss der Villa Schöningen, man denkt sofort an Mettigel oder die Aufspießer behördlicher Müllsammler. Die feine Ironie dieser Arbeit: „Der Titel stand so mal in der FAZ“, sagt Metzel.

Auf den ersten Blick weniger plakativ ist eine Arbeit, die direkt gegenüber hängt, „Votivtafel“ heißt sie wie die kleinen Wunschbildchen mit christlichen Motiven, die oft auf Wallfahrten verwendet werden. Metzels Heilige sind aber andere, auf dem – für seine Verhältnisse eher kleinem – Wachsrelief tummeln sich die Ikonen der 1960er-Jahre: Angela Davis, John Lennon, Janis Joplin, Martin Luther King, Andy Warhol. Gelblich-weiß erheben sich die Wachs-Buchstaben ihrer Namen aus dem gleichfarbigen Fundament. Doch während sie in der oberen Bildhälfte scharf umrissen sind, fallen sie im unteren Teil übereinander, verlieren sich im Chaos, häufen sich auf zum Staub der Geschichte. Hier, so könnte man es verstehen, geht es Metzel um die Macht der Medien: Schließlich ist es auch die Presse, die immer neue Namen hochschreibt und andere dadurch vergessen macht.

Manchmal reicht ihm aber die Diskursmacht der Medien nicht für seine immer gesellschaftskritischen Arbeiten. Dann sieht er schwarz, greift zum Eisenguss und schafft eine über-lebensgroße Handfeuerwaffe. Schwer verwundet liegt seine „PK/90“ im Garten der Villa, die sieben Löcher in ihrer Oberfläche werden zum Symbol für die durch Gewalt provozierte Gegengewalt. Der Kontrast von Brutalität und Verletzlichkeit passt natürlich auch zum heute so friedlichen Garten der Villa, der vor nicht einmal 30 Jahren noch in der Sperrzone der DDR lag. Ein Gegensatz, der schnell einleuchtet – den man gerade deshalb aber natürlich auch als ziemlich platt empfinden könnte.

Die Ausstellung „Umsonst und draußen“ ist vom 6. Juli bis zum 26. Oktober in der Villa Schöningen, Berliner Straße 86, zu sehen. Geöffnet ist donnerstags und freitags von 11 bis 18 Uhr und samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 9 Euro, der Zutritt zum Garten ist frei

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