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Kultur: Gut gewürzt

Tiger HiFi mit interessanten Coverversionen im Lindenpark

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Die zwei hohen Künste Kochen und Musik haben viel gemeinsam: alles hängt davon ab, ob die Macher die Ingredienzien richtig abzustimmen wissen. Bei der Zubereitung kann vieles schief gehen, also sollten keine Amateure am Werk sein. Und schließlich entscheidet am Ende die Zufriedenheit der Gäste über das Ergebnis.

Auf ihrem aktuellen selbstbetitelten Album nimmt sich das in Berlin ansässige Musiker-Kollektiv 13 Songs an, denen sie im Off-Beat-Gewand ein neues Leben im entspannt-groovenden Reggae-Dub-Land einhauchen. „Wir geben den Songs ein zweites Leben“, erklärt Sänger Vido Jelashe. „Wir wecken sie auf und fügen ihnen ein paar Gewürze hinzu, dann klingen sie besser und sind geschmackvoller. Es ist wie beim Kochen: da schmeckt das Essen auch anders, wenn es gewürzt ist.“ Am Freitag verlegten Tiger HiFi ihre Soundküche in den Lindenpark und kredenzten einige akustische Leckerbissen.

Zunächst gilt es, die Potsdamerinnen und Potsdamer aufzuwecken. Als „Music“ mit hallender Stimme und Ragga-Rap mit einem smoothen Rhythmus aus den Boxen prescht, hält sich das Publikum noch verkrampft am Bier fest und verkriecht sich in den Ecken. „Music makes the masses come together“, singt Olivia Christou und bewegt sich dazu so anmutig, dass man vor ihr in die Knie gehen müsste. Die Gäste sind wohl etwas schüchtern und postieren sich in sicherer Entfernung in U-Form um die Bühne. Vielleicht haben sie Angst, vom Tiger angegriffen zu werden, der auf einer Video-Leinwand hinter der Band durch eine dadaistische Comic-Landschaft streunt. So geht das natürlich nicht. Vido Jelashe, der wuchtige Südafrikaner, der das optische und vokale Gegengewicht zur zierlichen Christou darstellt, fordert energisch zum Tanzen auf und geht mit gutem Beispiel und ausladenden Einlagen voran.

Endlich wird die peinliche Lücke vor der Bühne geschlossen und Tiger HiFi können sich gelöst durch ihr Set covern. Dabei ist es schwierig, ihre Künstlerauswahl nachzuvollziehen: Grandmaster Flash, Weezer, Nelly Furtado, Warmdue Project – am Ende macht man selbst vor U2 nicht halt.

„Sunday Bloody Sunday“ säuselt Christou ins Mikrofon, bevor sich das Lied in eine Up-Tempo-Nummer verwandelt, bei der Bono wahrscheinlich die Brille wegfliegen würde. Manche Lieder werden von Tiger HiFi aber nicht nur nachgewürzt, sondern komplett in ihre Grundzutaten zerlegt und neu zusammengemischt. So kommt es, dass einige Songs zwar noch ihren Original-Text haben, die Melodieführung aber vollständig geändert wurde und dadurch ganz neue Nuancen entwickeln können. Die Interpretation des schon erwähnten U2-Klassikers kann man auf jeden Fall als gelungene Befreiung feiern. „Maneater“ von Nelly Furtado kommt dagegen etwas überambitioniert daher und Christous Stimme wird von der dröhnenden Klangwand erschlagen.

Zum Abschluss, also als Dessert, wiederholen sie noch einmal Madonnas „Music“. Jetzt kommen die Leute vor der Bühne wirklich zusammen. Die Angst vor dem Tiger ist der Begeisterung über die Experimentierfreude von Tiger HiFi gewichen. Es hat den Ohren geschmeckt und man ist sich einig: Es war sehr gut gewürzt.

Christoph Henkel

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