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Kultur: „Hallo, ich bin der Bildhauer“

Der erste Potsdamer Kultursalon in der Villa Kellermann war nicht frei von Schwächen

Stand:

Der erste Potsdamer Kultursalon in der Villa Kellermann war nicht frei von Schwächen Von Gerold Paul So richtig Synergie stiftend schien der erste „Kultursalon“ des Dachverbandes Kultur Berlin-Brandenburg am Dienstag nicht, eher leicht verwirrend. Dabei hatten sich seine ehrenamtlichen Helfer alle Mühe gegeben, das Innenleben der Villa Kellermann mit Kunst und Schmuck und Kerzen zu verschönen, auch draußen, seewärts, konnte man im Lichtspot Werke der beteiligten Künstler betrachten. Es kamen, persönlich eingeladen, an die 300 Personen, Vereinsmitglieder, willige Sponsoren, ein Volk von Wirtschaft, Kunst und Politik (darunter einige von Ansehen) – genau der Kreis, welchen sich Vorstandsvorsitzender Tilo Bonow wünschte, denn er will mit den Seinen und dem Salon „ein kulturelles Netzwerk zur Förderung von kulturellen, grenzüberschreitenden Prozessen in der Region Berlin-Brandenburg“ installieren. Sozusagen als Alternative zum weithin staatlich subventionierten Kunstbetrieb in der Gesellschaft. Gutgewillte und Wohlgesinnte waren aufgerufen, diesem Synergie stiftenden Kulturkonzept Herz und Sponsoring zu schenken. Zweiter Punkt: Das Publikum ihm geeignet erscheinender Kreise und Künstler neueren Stils sollen per Salon-Effekt ins fruchtbare Kultur-Gespräch geraten. Beides, so war bei einem ausführlichen Gespräch zu erfahren, schien ihm beim Salon Nummer 1 (Thema „Grenzüberschreitungen“) vollständig gelungen. Es wird dem Fremdling einer solchen hochillustren Runde wohl erlaubt sein, dazu eigene Anmerkungen zu machen. Bonows Konzept ist sicherlich gut, doch als Veranstalter tritt er an die Seite auch „bedeutungsloserer“ Mitkämpfer jedweder neuer Kreatürlichkeit, im Ehrenamte gleichfalls; Elite ist eben nicht alles. So schien dieser Abend in der überall türoffenen Villa und mit lautstarken Klängen der Potsdamer Martin-Kautz-Offensive eher wie eine Vernissage zu einer Kunstausstellung, welche am selben Abend flugs wieder abgebaut werden musste. Wo waren nun Kultur, wo der Salon-Effekt, kaum denkbar ohne passende intime Rahmung? Klaus Büstrin etwa hatte es in einem 20-Minuten-Limit nicht gerade leicht, im murmelnd-lauten Entree-Bereich des Hauses (und bei unvollkommener Tontechnik) dem Gast des Abends, Berlins Stardirigenten Sebastian Weigle („Dirigent des Jahres 2003“) , mehr abzufordern, als dieser freiwillig zu sagen willig war: Gegenwart an der Staatsoper Unter den Linden, Zukunft am Gran Teatre del Liceu in Barcelona, kunsttriebige Geschäftigkeit in vollstem Selbstbewusstsein, nicht schlecht der Mann, welcher das Horn so folgenreich fürs Dirigieren tauschte. Von den Künstlern, eigentlich die Hauptpersonen dieses ephemeren Abends, vertrat Sybille Pirklbauer „experimentelle Mediengestaltung“, der Potsdamer Markus E. Laspeyres den Bereich Installation, Alexandra Klatt „Fotografie / Gestaltung“, und was aus echter Kernmaterie stammt, dem Stein, das stellte der geborene Friese Wilfried Christiansen draußen auf der Wiese und drinnen vor. Er war unzufrieden mit dem Auftakt: Schlecht seien die Künstler zur Begrüßung ins Licht gesetzt, gar allein gelassen worden (seltsames Missverständnis zwischen Tilo Bonow und seinem jungen „art director“ Jonas Nicolaus Kwaschik – der verweigerte ganz überraschend die Präsentation der künstlerischen Hauptpersonen). Weil dem Steinmetz die Synergie des Abends zu gering war und er sich vom Veranstalter gar verschaukelt fühlte, eilte er auf unsereinen zu: Hallo, ich bin der Bildhauer! Tolle Geste. So kam ein gutes Gespräch zustande. Christiansen war in Ekuador, in Spanien und im jordanischen Petra, wo er zusammen mit Beduinen quasi alttestamentarische Steine bearbeite, seine ganz persönliche „Grenzüberschreitung“ – die im „Kellermann“ freilich kein öffentliches Thema wurde. Was hätte der Mann alles erzählen können! Egal ob am Gegenstand von Geschichte, Kultur oder gar Seilhüpfen: So ein Salon läuft nie von allein, er braucht Führung. Da aber Eitelkeit immer dicht bei der Kunst lebt, war die Elite um neun Uhr abends verschwunden, die Villa leerte sich. Wer blieb, darf zu den wirklich Interessierten gezählt werden, jenseits aller Schickimicki-Effekte. Zum Kern und Keim des unvermeidlich nächsten Kultursalons, irgendwann im Frühjahr. Ein rühriger Sponsor hatte gleich abends versprochen, sich der tückischen Technik anzunehmen. Sollte sich der Dachverband wieder für dieses Haus entscheiden (das wäre zu begrüßen), sollte man auch der rutschigen Holztreppen gedenken. Vor allem aber müssen dann die Künstler ans Licht, in eigener Sache und in Sachen Kunst und Kultur, denn sie haben für diesen einen Abend hart gearbeitet. Licht für alle, die da helfen und geben, wird dann immer noch zur Genüge sein. Der Synergie zuliebe.

Gerold Paul

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