Kultur: „Hammer-geil“
Beste Stimmung in der Schinkelhalle: Madsen live
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Der Sänger kann nicht singen, die Musik ist nicht überdurchschnittlich gut, die Texte sind keine große Lyrik. Und trotzdem (oder vielleicht deswegen) ist die Band Madsen ein unverkennbarer Teil der deutschen Rockbewegung und füllte am Freitagabend die Schinkelhalle fast bis auf den letzten Platz. Ausverkaufte Häuser ist man in Potsdam eigentlich nur bei Legenden des Ost-Rock oder Gästen aus Übersee gewöhnt. Also: Wie macht Madsen das?
Erst einmal haben die fünf Mittzwanziger aus dem Wendland einen guten Freund: Thees Uhlmann, Tomte-Sänger, Rezensent und Meinungsführer der Indie-Szene bezeichnete das selbstbetitelte, erste Madsen-Album 2005 als „beste Debüt-LP, seit ich über Musik schreibe“. Mit derart Vorschusslorbeeren im Gepäck kletterte Madsen immerhin bis auf Platz 23 der Charts. „Vielleicht ist das der Anfang, vielleicht ist das das Ende“, war sich auch ein nörgelig-schreiender Sebastian Madsen noch nicht sicher. Aber großes Kino war das erste Album nicht. Eine knackige Single („Die Perfektion“), aber wenig Abwechslung. Beim zweiten Album „Goodbye Logik“ dann: mehr Abwechslung, wiederum weniger Gefühl. Das Schiff Madsen hat seinen endgültigen Kurs noch nicht gefunden.
Derartige Ausführungen hört man in der langen Schlange, die sich zum Einlass der Schinkelhalle drängelt kaum. Zwei Mädchen diskutieren über den neuen Haarschnitt des Bassisten und eine Gruppe angetrunkener Fans, die extra aus Magdeburg angereist sind, übt den Refrain ihres Lieblings-Songs von Madsen – er ist nicht zu erkennen. In der Halle herrscht beste Stimmung. Also den spitzfedrigen Kritikerstift an der Garderobe abgegeben und sich vorne in den springenden Pult gestürzt. Denn wo Madsen auf den Alben höchstens zündeln, es aber nicht fertig bringen ein richtiges Feuer zu entfachen, startet die Rakete live ohne die geringsten Startprobleme.
„Hier geht einiges“, lobt dann auch Frontmann Sebastian Madsen nachdem bei „Ein Sturm“, „Diese Kinder“ und „Immer mehr“ der ganze Saal gesprungen, gekreischt oder zumindest ekstatisch getanzt hat. Die Fünf scherzen mit dem Publikum, nehmen Wünsche der Fans entgegen („Spielt die Peeeeeeerfektion!!“), spielen dann aber doch lieber erst einmal ein paar Takte Manowar-Sounds. Verschnaufpausen gibt es an diesem Abend wenige. Nur bei der kitschigen Aufsteh-Nummer „Der Moment“, die eher zu Kim Frank passen würde, kann der Schweiß kurz antrocknen und in einer der hinteren Reihen wird doch tatsächlich eine Wunderkerze geschwenkt. Kurz Luftholen. Nach „Die Perfektion“, „Du schreibst Geschichte“ und „Shoppen gehen“ bleibt dann nur noch, sein Shirt auszuwringen und sich bestenfalls ein neues beim Merchandise zu besorgen.
Am nächsten Morgen sind sich einige Mädchen im Gästebuch der Madsen-Homepage nicht ganz einig: War das Konzert nun „hammer“, „geil“ oder „hammer-geil“?
Aber zurück zur Frage: Wie machen die das? Nun, sie machen das, was eine gute Rockband ausmachen sollte und spielen sich auf der Bühne die Körper schwitzig und schreien sich die Seele aus dem Leib – das kommt an.
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