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Kultur: Harmloses Interview

Gysi bei „Klassik plus Gespräch“ im Nikolaisaal

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Gysi bei „Klassik plus Gespräch“ im Nikolaisaal Milde und heiter wie die einleitenden Divertimenti von Joseph Haydn blieb die Stimmung beim Gespräch zwischen Gregor Gysi und Christine Lemke-Matwey in der Reihe „Klassik plus Gespräch“ der Kammerakademie Potsdam. Die tagespolitischen Ereignisse um die geplanten Neuwahlen hatten die Aufmerksamkeit für den Gast aus Berlin enorm erhöht. Doch die aktuellsten Fragen blieben ausgeklammert, etwa ob überhaupt, wann und in welcher Konstellation Gregor Gysi als Spitzenkandidat antreten wird. So entspann sich ein harmloses Interview, bei dem Gysi Gelegenheit hatte, seine Thesen pointiert und unterhaltsam vorzutragen. Nach einigen bohrenden Fragen von Christine Lemke-Matwey, Redakteurin des Tagesspiegel, zu Gysis kulturellen Haftpunkten, geht es schnell zur politischen Agenda über.Vor ein paar Jahren habe er etwas Neues entdeckt, er möge jetzt die Oper. Gern hätte man erfahren, welche Oper ihm dies Erweckungserlebnis beschert habe, oder gar welche Inszenierung, doch gab es derlei detaillierte Fragen nicht. Gysi sieht die Dinge sowieso universell, für ihn ist Kultur ein zivilisatorisches Moment, ein Maßstab im Umgang miteinander, letztlich ein individuelles Erlebnis. Der Umgang mit der Fragerin und den Zuhörern im Foyer des Nikolaisaales fällt ihm scheinbar leicht. Lob und Tadel, rhethorisch-juristische Exkurse, wohl dosierte Proben seines urberliner Dialekts und einige Gysi-Bonmots sprudeln locker hervor. Ecken und Kanten gibt es nicht, alles ist leicht verdaulich und gut verträglich. Ob das wohl mit der Entdeckung der Mittelschicht zusammenhängt, von der Gysi spricht? Sie ist für ihn Kontaktvehikel besonderer Art, das als einziges ebenso nach oben wie nach unten kommunizieren könne. Doch das bleiben die einzigen neuen Töne an diesem Abend. Nach der wohl unumgänglichen Frage zur Wahlprognose - „Entweder wird es jemand von der SPD oder von der CDU“ - , formulierte Lemke-Matwey den unwidersprochenen Schlusssatz: „Kunst kommt von können und vor allem von müssen." Was sicherlich für die Mitglieder der Kammerakademie Potsdam ganz besonders gilt. Das für diesen Abend zusammengestellte Trio für Basso fügte der softigen Soiree wohltemperierte, leicht melancholische, verhaltene Klänge hinzu. Die Viola (Christoph Starke) beteiligt sich introvertiert am sonoren Saitenspiel und bleibt sogar im Allegro im klassisch-gemessenen Rahmen. Diese und die anderen einfallsreichen Miniaturen aus Mauricio Kagels Nachlass verschreckten keinen, so wohldosiert war der Einsatz von neuer Technik, so ausgewogen der Vortrag. Selbst Gysi, der bekannt hatte, bei zeitgenössischer Musik etwas vorsichtig zu sein, bekundet sein Wohlgefallen. Ein nobles, wehmütiges Finale bilden die Fantasien von Henry Purcell. Viola, Cello (Christoph Hampe) und Kontrabass (Anne Hofmann) spielen nüchtern und transparent durchs fein figurierte Netzwerk der Stimmen. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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