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Kultur: Hartnäckig

Döris Dörrie sprach über ihre Karriere bei Sehsüchte

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Am Ende des „Glücks“ zersägt Kalle die Leiche des Politikberaters. „Ich werde dem Schwein seinen Schwanz abschneiden und es dann umbringen“, hatte seine Freundin Irina zuvor mit erhobenem Sägemesser verkündet. Ausgerechnet an Kalles Geburtstag hatte sich der Freier angekündigt, nachdem die zwei Liebenden zuvor kuschelnd Kuchen verzehrt hatten. Als Kalle sich dann tatsächlich in Doris Dörries neuestem Film ans Werk macht, kommt unvermutete Heiterkeit im Kino auf. Obwohl die Szene eigentlich nach Splattermovie aussieht, produziert der hilflose, bekennende Vegetarier Kalle beim Zerteilen des toten Körpers doch Heiterkeit.

Das Oszillieren zwischen Drama und Komödie ist eines der Kennzeichen von Dörries Filmen.„Mich hat das ganz starke Gefühl zwischen den beiden Liebenden interessiert“, erklärt die Regisseurin. Eine Kurzgeschichte des Strafverteidigers Ferdinand von Schirach diente als Vorlage für das Drehbuch. „Das war relativ ungewöhnlich für mich. Meistens verfilme ich eigene Geschichten“, bemerkt die international erfolgreiche Filmemacherin, der in diesem Jahr eine Retrospektive bei dem Potsdamer Filmfestival „Sehsüchte“ der HFF gewidmet ist und die am Donnerstag im Thalia mit Nachwuchsfilmern sprach. Nachdem sie zunächst mehrere Fernsehdokumentationen und zwei Fernsehfilme gedreht hatte, landete sie 1985 mit „Männer“ einen internationalen Kinoerfolg. „Das haut einen um, wenn man in einer Tankstelle unvorbereitet vor einer Wand von Zeitschriften steht und auf jedem Cover sieht du dein eigenes Bild“, beschreibt sie den unerwarteten Mediensturm.

Der spätere Werdegang Dörries als Regisseurin war zunächst gar nicht so eindeutig absehbar. Nach dem Abitur ging sie erst einmal nach Amerika, lernte Improvisationsschauspiel und Straßentheater, jobbte als Filmvorführerin und bei McDonalds. Ihre Mutter aber schickte ihr hartnäckig jede Woche die Bewerbungsunterlagen für die Münchener Filmhochschule, obwohl Dörrie sich eigentlich gar nicht so sicher war, ob sie wieder nach Deutschland zurückwollte. „Ich habe meine Kurzgeschichten immer in Deutsch geschrieben und liebe die deutsche Sprache. Ein Studium in Amerika hätte ich gar nicht bezahlen können“, beschreibt sie ihre Motivation, dann doch zurückzukehren. Der Studienbetrieb an der Münchener Hochschule der 80er Jahre sei dann aber eher chaotisch gewesen. Richtige Vorlesungen habe es eigentlich nicht gegeben, die Studenten seien im Wesentlichen damit beschäftigt gewesen, möglicht „cool“ auszuschauen und auch die Professoren hätten merkwürdige Beurteilungsmaßstäbe gehabt. „Nicht unwichtig war, dass ich in sehr knappen Hot Pants und mit braun gebrannten Beinen zum Bewerbungsgespräch gekommen bin“, plaudert Dörrie. Dennoch fing sie nach dem Studium unverdrossen an, hoch professionell auf eher unkonventionellen Wegen nach Finanzierungsmöglichkeiten für ihre Filme zu suchen. „Ich habe mich erst auf der Toilette der Fernsehanstalten versteckt und dann den Redakteuren aufgelauert, die ich ansprechen wollte“, gesteht sie.

„Meine Filme haben immer etwas mit der Überwindung von Isolation zu tun. Sie sollen die Leute packen und bewegen“, schildert sie ihre Intention beim Filmemachen. „Es gibt kein Patentrezept, findet euren eigenen Weg“, rät sie den Studenten im Kinosaal. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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