Kultur: Hauptsache, dem Sänger hilft es
Ein musikalisch-therapeutischer Abend um allerlei männliche Traumata mit Menno Veldhuis im „nachtboulevard“
Stand:
„Schauen Sie sich einfach alles an, was wir produziert und eingeladen haben. Es wird Sie bestimmt sehr glücklich machen“ – so lautet das Motto für die Abende des „nachtboulevard“, nachzulesen auf der Internetseite des Hans Otto Theaters. Die Chuzpe des Veranstalters legt die Meßlatte hoch. Ob sich das Team im Vorfeld des Freitagabends informiert hat, wen es da eingeladen hat?
„Hallo, ich bin Menno Veldhuis, ich wohne in Potsdam, ich schreibe Musik und möchte gern etwas vorführen. Ja, ich fang dann mal an“, stellt sich der Akteur des Abends vor – mit neckisch holländischem Akzent und schütterer Stimme, da hätte selbst Comedian Rüdiger Hoffmann mehr Verve hervorgebracht.
Aber vielleicht war er aufgeregt. Er war es ganz sicher. „Menno Veldhuis ist ein toller Maler“, sagt ein Gast, „und er kann gut Klavier spielen“, und tatsächlich setzt sich Veldhuis einmal an den Flügel und spielt etwas Romantisch-Melancholisches, ein „Instrumental“, wie er alle Stücke nennt, zu denen er nicht singt.
Aber hauptsächlich ist er hier, um seine Lieder für Gitarre vorzustellen. Viele Facebookfreunde seien gekommen, sagt der bereits erwähnte Gast, das passt zur Wohnzimmerstimmung. Veldhuis sitzt auf der gemütlich ausgeleuchteten Bühne zwischen zwei Retrostehlampen. Im Parkett gut zwei Dutzend Freunde und Zuschauer, eine junge Frau lümmelt längs auf der Bank, eine andere wird das ganze Konzert hindurch mit ihren Haaren spielen.
Und dann gibt es eigentlich genau das, was im Programm angekündigt war: „Lieder über Sehnsüchte und Verluste, verpackt in ehrliche, melancholische Songs.“ Es ist genau diese verblüffende sogenannte Ehrlichkeit, diese Unbedarftheit, diese wahnwitzige Mischung aus Schüchternheit und Selbstbewusstsein, die am Ende mit Applaus belohnt wird. Veldhuis’ Gitarrenspiel ist nicht unbedingt rekordverdächtig, aber es reicht, um allerlei männliche Traumata musikalisch-therapeutisch zu bebildern. Muss das aber in jedem Fall einer Öffentlichkeit mit einer künstlerischen Erwartungshaltung übergeholfen werden?
Da geht es um die Vater-Sohn-Beziehung, um die Hass-Liebe zu einer Telefonzelle und natürlich um Frauen. „Sorry“ heißt ein Lied, „hab ich vor vielen Jahren geschrieben und ich weiß nicht mehr, um wen es ging“. Das ist ihm irgendwie peinlich. Das ganze Konzert ist nicht so seine Sache, mal vergreift er sich in der Tonart, aber das ist halb so schlimm, findet er, Veldhuis kennt keine Scham, wieder ein „Oh Sorry“, die Zuschauer finden es witzig. Aber auch die Stimme will nicht so, mit den Höhen hat er Schwierigkeiten. Mal setzt er eine Oktave zu tief ein oder zu hoch. Nun ja, es gibt Sänger, die schlagen auch aus einer weniger perfekten Stimme Kapital, aber dann muss ein Funke Leidenschaft drin stecken. Bei Veldhuis ist es die Unsicherheit eines Menschen, der nicht so genau weiß, wo er hingehört, Musik, Malerei oder doch ins Comedy-Fach? Die Titelauswahl der Zugabe entbehrt diesbezüglich nicht einer gewissen Komik: „I’m a Winner“ und zuletzt „Can you show me a place for me to hide“. Zeig mir einen Ort zum Verstecken. Steffi Pyanoe
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