Kultur: Hauptsache konkret
Objekte, Reliefs und Papierarbeiten von Jo Enzweiler in der Galerie Ruhnke
Stand:
In sanfter Liebkosung schmiegen sich vier Farben aneinander: Rot, Gelb, Blau und noch mal Rot, das sich mit Blau vermählt. Ein Quartett harmonischer Farbstimmung und friedlicher Koexistenz. Vereint im Blatt 3 der „Kleinen Spanischen Farblehre I“ aus dem Jahr 2008. Gouache und Aquarellfarben erweisen sich auf weißem Papier die Ehre. Und bleiben damit nicht allein. Spanien und seine Landschaft, sein Licht, seine Farben, haben den Künstler Jo Enzweiler zu einer ganzen Reihe verwandter Arbeiten inspiriert.
Die Galerie Ruhnke präsentiert in seiner aktuellen Ausstellung einen Künstler, der sich seit Jahrzehnten konsequent zur Konkreten Kunst bekennt. Der Begriff der Konkreten Kunst, bereits in den 1930er Jahren durch den Künstler Theo van Doesburg geprägt, proklamiert eine Kunst, die Bedeutungen ausschließlich durch das Zusammenwirken formaler Elemente wie Fläche, Linie und Farbe konstruiert. Anders als die abstrakte Kunst, die sich bewusst von Gegenständlichkeit löst, indem sie diese abstrahiert, ist Konkrete Kunst ganz und gar selbstbezüglich.
Die bei Ruhnke gezeigten Arbeiten des im Saarland beheimateten Jo Enzweiler (geb. 1934) repräsentieren in Reinform, was Konkrete Kunst ausmacht. In den unterschiedlich geschnittenen Räumen der Galerie werden in einer wohltuend konzentrierten Hängung Objekte, Reliefs, Collagen und Gouachen präsentiert. Ein Markenzeichen des Künstlers ist seine offensichtliche Neigung zu Pappe und Papier. Papier und Karton, Pappmaché und gepresste Pappe inspirieren ihn zu Arbeiten von schwebender Leichtigkeit, zu mannshohen Collagen („Horizonte“, 2008), Reliefs und Objekten. Bei der materiellen Oberfläche der quadratischen Reliefs und der an Architekturmodelle erinnernden Objekte handelt es sich um Packstoff. Das sich darunter verbergende Holz wird vom Künstler grundsätzlich mittels Packstoff kaschiert. Reliefs wie Objekte sind makellos gearbeitet bis ins letzte Detail. Auch die Arbeiten auf Papier tragen diese Handschrift größter Präzision und handwerklich sorgfältigster Maßarbeit. Nichts scheint dem Zufall überlassen, alles genau durchdacht und kontrolliert. Insofern grenzt es fast schon an Koketterie mit den eigenen Vorlieben, wenn der Künstler in der Ausführung seiner Papiercollagen seine stringente Linienführung stellenweise bewusst durchbricht. In den sensiblen Papiercollagen gesteht sich Enzweiler die tänzelnde Unregelmäßigkeit einer gerissenen Papierkante zu. Und doch wird dieser winzige Ausbruch aus der Akkuratesse durch die exakt und sittsam aufeinander abgestimmten Proportionen der Gesamtkomposition wieder besänftigt und in geregelte Bahnen zurückgeführt.
Mit derselben konzentrierten Disziplin, mit der diese Arbeiten erdacht und realisiert werden, ist Jo Enzweiler auch noch vielen anderen Bereichen aktiv. So hat er bereits zahlreiche Werke – vor allem große Wandgestaltungen – im öffentlichen Raum geschaffen. Sich selber sieht er nicht nur als Künstler, sondern auch als Kunstvermittler. Einerseits berät Galerien und blickt ansonsten auf eine jahrzehntelange Erfahrung als Hochschullehrer zurück. 1989 hat Jo Enzweiler als Gründungsrektor die Hochschule der Bildenden Künste Saar ins Leben gerufen, an der er bis heute als Professor für Malerei lehrt. Dass er für seine eigenen Arbeiten ganz wunderbar ohne Pinsel auskommt, beweist der Rundgang durch die aktuelle Potsdamer Ausstellung. Die Pinsel-Abstinenz bedeutet dabei nicht automatisch den Verzicht auf Farbe.
Einige der gezeigten farblich brillanten Gouachen sind der Stempeltechnik zu verdanken, die der Künstler seit einigen Jahren virtuos praktiziert. Als Stempel hat sich hier die gute alte Kartoffel immer wieder bewährt: auf der glatt geschliffenen Schnittfläche verbindet sich ihre pflanzliche Stärke mit Farbpigmenten. Die in mehreren Arbeitsschritten aufgedruckte Farbe erzeugt eine zarte Struktur und samtene Transparenz. Mit einem Pinsel wäre dies selbst für einen erfahrenen Maler so nur schwerlich hinzukriegen.Almut Andreae
Bis zum 18. Januar 2009. Geöffnet: Do-So 14-18 Uhr. Galerie Ruhnke, Charlottenstraße 122.
Almut AndreaeD
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