Kammerakademie Potsdam bestritt 1. Sinfoniekonzert des Nikolaisaals: Haydn lässt grüßen
Viel Aufmerksamkeit hatte Friedemann Werzlau. Denn die Zuhörer des 1.
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Viel Aufmerksamkeit hatte Friedemann Werzlau. Denn die Zuhörer des 1. Sinfoniekonzerts der neuen Saison im Nikolaisaal warteten auf den auf- und abschwellenden Paukenwirbel, der die Es-Dur-Sinfonie Nr. 103 von Joseph Haydn eröffnete. Für das Uraufführungspublikum 1795 war es noch spektakulär, dass die langsame Einleitung mit einem solistischen Paukenwirbel begann. Werzlau musizierte ihn unprätentios, nicht draufgängerisch, sondern leicht, fast wie nebenbei. Er öffnete das Portal für ein Werk, das von Ausdrucksqualitäten nur so sprüht.
Joseph Haydns Sinfonien haben bei der Kammerakademie Potsdam fast von Anfang an, seit 14 Jahren, eine beeindruckende „Rehabilitation“ erfahren: Weg vom Konzertfüller, hin zu einem markanten Konzertteil mit durchdachter Interpretation und musikalischer Perfektion. Haydn ist wie Mozart eine Säule im Klassik-Repertoire des Hausorchesters des Nikolaisaals. Am Samstag stand Jamie Phillips am Dirigentenpult der Kammerakademie. Mit 25 Jahren reist er durch die Welt und ist zu Gast bei bedeutenden Orchestern. Es scheint, dass er eine besondere Affinität zur Musik Haydns und Mozarts hat. Die Sinfonie Nr. 103 des Esterhazy-Hofkapellmeisters Joseph Haydn bestach in der Interpretation von Phillips und der Kammerakademie durch Kontrastreichtum, dynamischen Abstufungen, Durchhörbarkeit und durch eine kluge, natürliche Agogik. Ein überzeugend modelliertes Klangbild ohne aufgesetzten Gestus war zu erleben: von den verspielten Trillern des „Andante“ über die den Zuhörer mitnehmenden Hebungen und Senkungen des Menuetts bis hin zu den kontrollierten, mehrfachen Steigerungen des „Allegro“-Finales. In allem spürte man die Freude des Dirigenten an Haydn, gestützt vom begeisternden Spiel der Kammerakademie, wobei die Orchestersolisten ihren besonderen Anteil am umjubelten Erfolg hatten.
Mozart spielte ebenfalls eine Hauptrolle. Von ihm sang die Sopranistin Robin Johannsen – in Potsdam keine Unbekannte – drei Arien. Nicht nur glatte und unfehlbar-flüssige Gesangstechnik konnte man bei der US-Amerikanerin bestaunen, sondern auch die verschiedenen Färbungen, die dynamischen Akzente und das Legato, mit der sie die dramatische Essenz der Konzertarie „Bella mia fiamma“ („Nun lass uns scheiden“) KV 528 in bewegender Weise sang.
Wirkte für manchen Konzertbesucher die Arie nach dem Musizieren der Werke des Franzosen Darius Milhaud und des Engländers Edward Elgar als fremdartiges Solitär, so fügten sich nach der Pause die virtuos-zauberhaften beziehungsweise berückend-innigen Arien „Voi avete un cor fedele“ (Ihr habt ein treues Herz) sowie „Giunse alfin il momento“ (Endlich naht sich die Stunde) aus „Le nozze di Figaro“ besser in das Programm. Auch hierbei lieferte Robin Johannsen mit ihrem silbrig-kostbaren Sopran ein weiteres Glanzlicht. Die Musiker der Kammerakademie und Dirigent Jamie Phillips waren der Sängerin überaus aufmerksame Begleiter, so dass sie sich hörbar wohlfühlte. Im ersten Konzertteil, der durch längere Umbaupausen geprägt war, standen Kompositionen auf dem Programm, mit denen man spannende Bekanntschaft schließen konnte. Die von afrikanischer Folklore inspirierte Ballettsuite „La Création du Monde“ (Die Erschaffung der Welt) von Darius Milhaud von 1923 beeindruckt durch ihre stilistische und musikalische Vielfalt. Polytonalität und Jazzelemente geben der Musik einen klaren Wiederkennungswert. Mit 17 verschiedenen Instrumenten, darunter ein Saxophon, begegnet dem Rezipienten ein humorig-virtuoses Stück, das auch lyrische Stellen aufweist. Haydn lässt grüßen. Die musikalische Noblesse des Engländers Edward Elgar, einem Spätromantiker, wird auch mit dem energiegeladenen Doppelpack Introduktion und Allegro op. 47, das mit barocken Formen spielt, deutlich. Jamie Phillips und die Kammerakademie Potsdam haben sie zum warmen Leuchten gebracht. Klaus Büstrin
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