
© A.Sommer/I Confidenti
Kultur: Heftige Phantasie
Barocker Theatersommer beleuchtet die Karschin, eine Dichterin, die den Alten Fritz bewunderte
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Nicht in Potsdam, sondern in Halberstadt findet man ein Gemälde der Dichterin Anna Louisa Karsch (1722-1791). In den Schlössern der Preußenkönige hätte das Bild einer bürgerlichen Frau wohl kaum Platz gefunden. Doch der Dichter und Sammler Johann Wilhelm Gleim, der in der alten Domstadt das wichtige Amt des Domsekretärs innehatte, nahm die Berlinerin Anna Louisa Karsch in seinen berühmten „Freundschaftstempel“ auf, eine Gemäldesammlung in seinem Haus, die sich mit Porträts damals bekannter Persönlichkeiten schmückte.
Ab 11. Mai kann man Anna Louisa Karsch oder die Karschin, wie sie kurz zu ihrer Zeit genannt wurde, nun auch im Schlosstheater im Neuen Palais in Augenschein nehmen. Dafür sorgt das Potsdamer Ensemble „I Confidenti“ mit der szenischen Collage „O, meine Phantasie ist heftig! – Anna Louisa Karsch – eine Dichterin im friderizianischen Preußen“ in der erfolgreichen Reihe „Barocker Theatersommer“.
Dass in den vergangenen Jahren mit Opernproduktionen und musikalisch-literarischen Veranstaltungen hervorgetretene Ensemble lässt zum 300. Geburtstag Friedrich des Großen nicht, wie sonst üblich, Höfisches zu Wort kommen, sondern Bürgerliches. Die Karschin, die in Berlin lebte, hatte jedoch eine starke Affinität zum König. „O König! Vater! Schutzgott des beglückten Landes / uns gegenwärtig bist Du selbst“, pries sie in einem Gedicht den König nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges. Doch der König, von dem sie 30 Jahre lang eine versprochene finanzielle Unterstützung erwartete, enttäuschte sie. Im Jahre 1773 erhielt sie ein „Gnadengeschenk“ von zwei Talern. Daraufhin schrieb sie an den Hofstaatssekretär: „Zwey Taler gibt kein großer König, / ein solch Geschenk vergrößert nicht mein Glück, / Nein, es erniedrigt mich ein wenig, / Drum geb ich es zurück.“ Erst der Nachfolger des Alten Fritz, König Friedrich Wilhelm II., genehmigte eine großzügige Geld-Zuwendung für die Karschin.
„Die Frau, weder Fräulein, weder schön, die bald in den vornehmen Häusern als Naturphänomen bestaunt und herumgereicht wird, weil sie in ,bewunderungswürdiger Geschwindigkeit‘, für die es kein Beispiel gibt, Verse und Reime auf alle Wechselfälle des Daseins verfasst, hat ein schweres Leben hinter sich “, schrieb der Schriftsteller Gerhard Wolf in einem Essay über Anna Louise Karsch, die als Gelegenheitsdichterin regionale Bekanntheit erlangte und mit ihren Versen für den Lebensunterhalt der Familie sorgte. Sie gilt als erste deutsche Dichterin, die von den Einkünften ihrer literarischen Arbeit leben konnte. Sie war zweimal unglücklich verheiratet und brachte sieben Kinder zur Welt. Die Karschin schrieb Gedichte und Episteln, vor allem Briefe, deren literarischen Wert schon die Zeitgenossen bemerkten. Mit Gleim, dessen Liebe Anna Louisa Karsch zu Beginn ihrer Bekanntschaft im Jahre 1761 vergeblich zu gewinnen suchte, verband sie eine langjährige Freundschaft.
Nils Niemann, der die Collage nur mit Original-Zitaten der Karschin und ihres Umfeldes zusammenstellte, will eine größtmögliche Authentizität in der Aufführung erreichen. Während der Presse-Präsentation am gestrigen Dienstag im Schlosstheater gaben die beiden Schauspieler Alexandra Broneske und Harald Arnold in einer Brieflesung einen Einblick in die Schreibkunst der Karschin, die man die „deutsche Sappho“ nannte.
Auch der Violinist Wolfgang Hasleder und die Cembalistin Sabine Erdmann von der Kleinen Cammer-Music waren mit musikalischen Kostproben zu hören. Das Potsdamer Ensemble, das auf historischen Instrumenten spielt, wird erstmals ein Bühnenprogramm mit „I Confidenti“ gemeinsam bestreiten. Galante und empfindsame Kammermusik haben Niemann und Hasleder dafür ausgewählt. Auch Lieder von Carl Philipp Emanuel Bach. Der Hofcembalist Friedrich des Großen vertonte Gedichte der Karschin. Die Berliner Sopranistin Dörthe Maria Sandmann, eine gerne gesehene und gehörte Mitstreiterin von „I Confidenti“, wird die Lieder zu Gehör bringen, aber auch Arien aus damals beliebten Singspielen von Johann Adam Hiller und Ernst Wilhelm Wolf.
Musik und Texte in der Collage wollen ein Zeitbild des bürgerlichen Gesellschaftslebens darstellen. Dafür erfindet Nils Niemann als Regisseur auf der Bühne des Schlosstheaters die Szenen und Christine Jaschinsky wird mit den Kostümen und dem Bühnenbild für das richtige Zeitkolorit sorgen.
Barocker Theatersommer 2012: „O, meine Phantasie ist heftig“ ab dem 11. Mai, 20 Uhr, Schlosstheater im Neuen Palais. Weitere neun Vorstellungen im Mai, August und September. Karten sind erhältlich unter der Ticket-Hotline: Tel. (01805) 288244
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