Kultur: „Heil sei dem Freudenlicht der Welt“
Werke von Mahler und Bruckner zum Abschluss der „Vocalise“ in der Erlöserkirche
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Werke von Mahler und Bruckner zum Abschluss der „Vocalise“ in der Erlöserkirche Eine Woche „Vocalise“ im Geiste jüdischen Ton- und Komponierempfindens fand mit Gustav Mahlers „Kindertotenliedern“ und Anton Bruckners letzter Messe in f-Moll (1872), ihr eindrucksvolles Finale. Hier ein Heimatloser (fremd als Böhme in Österreich, als Österreicher in Deutschland, als Jude in der Welt), da ein unverstandener Künder zerrissener Zeiten künftiger Gestalt, welchem man, was ist das? „naiven Katholizismus“ nachgesagt und der in drei Messen zusammenbringen wollte, was seinen materialgeschwängerten Symphonien immer weiter auseinandersprang. Mahler und Bruckner in der Erlöserkirche – ein tiefes und bewegendes Erleben am Volkstrauertag. Mit dem Symphonieorchester des Fördervereins „Musik und Kultur München“ (Leitung Horst Frohn) stand den Veranstaltern ein junger Klangkörper zur Verfügung, mit der Chorphilharmonie Laaber/Regensburg ein geübter Chor ungleichen Proporzes, zwölf Männer und etwa vierzig Damen eines Atems bewältigten die lateinische Missa (1872) von Bruckner fast im Alleingang. Über die „Kindertotenlieder“ nach Gedichten von Friedrich Rückert sagte Mahler (1860-1911): „Ich habe mich in die Lage versetzt, mir wäre ein Kind gestorben; als ich dann wirklich ein Kind verloren hatte, hätte ich die Lieder nicht mehr schreiben können“. Den fünf ausgewählten Stücken aus dem Zyklus fehlte nichts, was als Schmerz und Grauen, aber auch an Zuversicht musikalisch darstellbar wäre. So führen Oboe und Fagott mit einem Totenglöckchen in „Nun will die Sonn“ so hell aufgehen“. Ein Horn ruft dumpf das Orchester, lyrisch steigt der Ton hinan. In aller Trauer ist Hoffnung gemischt: „heil sei dem Freudenlicht der Welt!“ Wo immer es „licht“ wird, erhöht Mahler den Notenwert. Auch der Tod hat seinen Respekt, nirgendwo ein Aufbäumen. Balladesk (ganz ohne Reprisen) auch das schlichte „Wenn dein Mütterlein“. Carolin Masur sang mit ihrem warmen Alt, emotional eher verhalten, doch Anteil nehmend. Interpretationen blieben dem Hörer überlassen. Hatte Mahler auch das meiste für eine Altstimme geschrieben, so waren bei „Oft denk ich, sie sind nur ausgegangen“ eher die sopranen Qualitäten der Sängerin gefragt. Sehr gut, zumal hier ein zährendes Hornmotiv die Emotionen zusätzlich umtrieb. Bei „In diesem Wetter“ versank die Solistin freilich in einem überschäumenden Meer orchestraler Bewegung. Bruckners Grosse Messe in f-Moll gibt dem Chor und dem Orchester breitesten Raum zur Gestaltung aller nur möglichen Gefühle. Der solistischen Besetzung (Evelyn Erlt, Sopran, Carolin Masur, Alt, Werner Rau, Tenor und Jörgen Kristensen, Bass) belässt er nur kurze, selten mehrstimmige Anteile. Oder nur ein Wort: So korrespondiert „Christe“ (Bass) mit „eleison“ (Sopran) in einem „Kyrie“, welches mit den ersten Takten unter die Haut ging. Es baut sich mit harmonischem Geigenstrich über einem tiefen Basston auf, ruhige, starke Effekte entstehen, der Chor bleibt klar von piano bis forte, ausdrucksvoll, spirituell, welch ein Auftakt! Breit und symphonisch ist das Gloria“ gesetzt: Glanzvoll steigt das Orchester in die furiosi hinein, der Chor gibt A-cappella-Parts, in der Reprise übernimmt ein Chorsolist die Stimmführung, alle repetieren. Pauken und Trompeten, das Amen. Pause. Das war ein Guss, mit grossem Herzen getan. Beim hochsensiblen „Credo“, nach Art der Orthodoxen codiert, weinte ein Kind; abrupt auch endet das prachtvolle Sanctus. Großer Stil im symphonischen „Benedictus“: Hier glänzten die Solisten, der Chor übernahm das Hosianna“ im Forte, doch nie dröhnend. Wie im „Kyrie“ so dunkle Geigen auch im „Agnus dei“, nochmals ein Bass: Miserere! „Qui tollis peccata“ in sehr voluminösen Tutti, etwas Blech, das „Dona nobis pacem“ von aller Zärtlichkeit - längst schwiegen die Solisten. Kein Amen im Finale, nur „Gib uns deinen Frieden!“ Georg Martinger
Georg Martinger
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