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Kultur: Heimatkunde

Werner Liersch las in der Stiftungsbuchhandlung

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Er habe die Scheu überwunden, von sich selber zu sprechen, sagt Werner Liersch. Der Berliner Literaturkritiker und Publizist wird in seinem Buch „Dichterland Brandenburg“ bisweilen persönlich und lässt im Kapitel über das märkische Dichterdorf Kolberg, das ihm seit Langem vertrauter Rückzugsort und Zweitwohnsitz ist, auch eigene Erinnerungen einfließen. Nachdem Liersch sein Buch von 2004 komplett überarbeitet hat, ist „Dichterland Brandenburg“ nun mit den Untertitel „Literarische Entdeckungen zwischen Havel und Oder“ (Verlag für Berlin-Brandenburg, 19,95 Euro) in diesem Jahr als Neuauflage erschienen. Im Rahmen der Buchwoche „Stadt Land Buch“ las der heute 80-Jährige am Dienstagabend in der Stiftungsbuchhandlung daraus vor.

Werner Liersch hat für seine große literarische Entdeckungstour durch Brandenburg ein beeindruckendes, vom 18. Jahrhundert bis in die 1990er Jahre reichendes Panorama entfaltet und darin in 22 Kapiteln eine Vielzahl von Autorenschicksalen geschildert, die mit der märkischen Landschaft verbundenen waren. Es ist ein Reigen, der auch die Schreibversuche des jungen Friedrich II. auf Schloss Rheinsberg mit einbezieht und in dem natürlich große Dichternamen wie Fontane, Chamisso, Tieck oder Kleist, aber auch Hauptmann, Tucholsky oder Brecht nicht fehlen. Liersch greift sich an diesem Abend den romantischen Dichter Friedrich de la Motte Fouqué heraus, erzählt von dessen Wirken auf Schloss Nennhausen im Havelland. Im Kapitel „Passanten in Potsdam“ überspringt er Kleist und Heine und liest dafür die schöne Passage über Theodor Storm, der Ende 1853 hierher, in die Brandenburger Straße, zog. „Potsdam war eine gute Wahl, aber keine, die Storm glücklich machte.“ 1856 packte er wieder seine Koffer. Liersch rückt in seinem Buch auch manche schon vergessene Autoren wie Boris Djacenko, „Kolbergs tragischen Dichter“, wieder ins Bewusstsein. Liersch war mit Djacenko, der von der Parteizensur kaltgestellt wurde, sich als Krimiautor durchzuschlagen versuchte und in einer „Schreibgarage“ arbeitete, persönlich befreundet und wurde dessen Nachbar, als er 1967 nach Kolberg kam. „Zu dieser Landschaft gehöre ich selbst“ beginnt Liersch dieses durch seinen autobiografischen Einschlag besonders starke Kapitel, das zugleich auch beinahe das einzige im gesamten Buch ist, in welchem der Name Erwin Strittmatter kurz auftaucht, hier als Geheimer Informator (GI) der Staatssicherheit.

Dass Strittmatter in der Neuauflage des „Dichterland Brandenburg“ ansonsten komplett fehlt, erklärt Liersch, der 2008 Strittmatters SS-Mitgliedschaft im Zweiten Weltkrieg aufgedeckt hatte, aber nicht mit persönlichen Gründen. Diese Sache sei erledigt, meint er. Die ganze Materie der biografischen Verstrickung Strittmatters sei einfach viel zu komplex, als dass sie sich so episodenartig in diesen Band einreihen ließe. Außerdem könne man in dem Buch, das eben kein Lexikon sei, auch noch andere Autoren vermissen, Franz Fühmann etwa, der in Märkisch Buchholz gelebt hat.

Dennoch überzeugt Lierschs „Dichterland Brandenburg“ vor allem durch die Fülle an Fakten und die in den elegant lakonischen und zuweilen humorvoll erzählten Schilderungen stets sauber eingebetteten Zitate. Er habe vor allem diese Lebensgeschichten schreiben und dabei weder zu akademisch noch zu literarisch zu Werke gehen wollen, sagt Liersch. In dieser Form nun auch über sich selber zu schreiben, sei sein nächster Wunsch, fügt er an. Ohne Scheu. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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