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Kultur: Heimatstunde – 25 Jahre nach der Wende Uwe Steimle begeisterte mit neuem Programm

Furchtbar ist eines der Lieblingswörter von Uwe Steimle. Der Dresdner Kabarettist spricht es natürlich im breitesten Sächsisch aus und schreibt es sich auch gern genau so aufs T-Shirt.

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Furchtbar ist eines der Lieblingswörter von Uwe Steimle. Der Dresdner Kabarettist spricht es natürlich im breitesten Sächsisch aus und schreibt es sich auch gern genau so aufs T-Shirt. Und auch am Donnerstagabend, als Steimle im fast ausverkauften Lindenpark sein neues Programm „Heimatstunde“ präsentierte, gehörte „fourschbar“ wieder zu seinem festen Repertoire: Dass 25 Jahre nach der Wende noch immer von Ostdeutschland gesprochen werde, sei einfach „fourschbar“. Dass man in Kaufhäusern, in denen Vogelgezwitscher aus Lautsprechern ertönt, sich zwischen 40 Käsesorten entscheiden müsse, sei ebenso „fourschbar“.

Als Steimle zum Auftakt, zusammen mit den Gästen, „Die Heimat hat sich schön gemacht“ und „Partisanen vom Amur“ singt, hat er den Saal sofort für sich gewonnen. Die nächsten zwei Stunden feixen die Leute vergnügt über den üppigen Mix aus politischem Kabarett, skurrilen Alltagsbeobachtungen, ostalgischen Kindheitserinnerungen und Kapitalismuskritik. Gern spießt Steimle Klischees über das Leben in der DDR auf. So berichtet er etwa, wie er im Westen einmal erzählte, dass auch im Kindergarten nur Druck und Drill geherrscht habe und man auf Kommando seine Notdurft verrichten musste, was dort prompt geglaubt worden sei.

Es ist eine der vielen Spitzen, mit denen Steimle den Umstand beklagt, dass inzwischen oft diejenigen die DDR-Zeit beschreiben und deuten, die sie gar nicht erlebt haben. Und von denen einige sogar meinen, Thüringen sei die Hauptstadt von Sachsen, was Steimle tatsächlich schon erlebt habe. Auch dass man 25 Jahre nach der „Kehre“, wie er die Wende nennt, von einer ehemaligen FDJ-Sekretärin regiert wird und vom „Schmunzelmonster Gauck“ allen Ernstes gesagt bekommt, Abhören diene dem Schutz der Menschen, findet Steimle natürlich mehr als „fourschbar“. Mit einer gewissen Schadenfreude erinnert der Kabarettist deshalb an die Überwachung der Kanzlerin durch Barack Obama und liefert wie zur Legitimation verblüffende inhaltliche Parallelen zwischen den Reden Erich Honeckers und Angela Merkels.

So charmant und lustig er sich an diesem Abend durch seine Themen plaudert, so scharfzüngig und ernst kann Steimle auch immer wieder sein. Etwa, wenn er jäh innehält und sich über die Arroganz und Überheblichkeit echauffiert, mit der Politiker und Medien über „die Griechen“ oder „die Russen“ sprechen. Doch ist Steimles „Heimatstunde“ nicht nur rein politisches Kabarett, sondern häufig auch persönlicher Rückblick auf eine Zeit, in der es beispielsweise noch Gemeinschaftsgaragen gab und man sich beim Fleischer noch 200 Gramm Leberwurst kaufen konnte, ohne gleich mit einer aufdringlich übertriebenen Höflichkeit bedient zu werden.

Zusätzlich zu dieser anekdotenreichen und nie quenglig wirkenden Ostalgie schlägt Steimle dann oft noch einen Bogen zum heutigen Alltag seiner Heimatstadt Dresden. Da beklagt er etwa krass überteuerten Kuchen mit Streuseln, die so klein sind wie Sommersprossen. Ein Missstand, der nach einem Loblied auf den Dresdner Stollen schreit. Uwe Steimle singt es an diesem Februarabend so ausführlich, als sei Weihnachten. Wie sein sächsischer Dialekt, ist auch dieses berühmte Gebäck für ihn ein Stück Heimat und keineswegs „fourschbar“, sondern „bomforzionös“. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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