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2. Sinfoniekonzert mit der Kammerakademie: Heimspiel mit Hindernissen

Heimspiele haben, besonders im Fußball, so ihre Tücken. Nicht immer gehen sie wie erwünscht aus.

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Heimspiele haben, besonders im Fußball, so ihre Tücken. Nicht immer gehen sie wie erwünscht aus. Was an den spielerischen Vorlagen oder Trainern liegen kann. Musikalisch mag es ähnlich sein. Was die Komponisten Georg Anton Benda und Felix Mendelssohn Bartholdy mit zwei Hits zu einem fiktiven Samstags-„Heimspiel“, so der Titel des 2. Nikolaisaal-Sinfoniekonzerts mit der Kammerakademie unter Leitung von Antonello Manacorda, zusammenführte? Wohl nur die Tatsache, dass es eine mehr oder weniger innige Beziehung zu Potsdam gibt. Als zweiter Geiger ist Benda, Spross der berühmten böhmischen Musikerfamilie, zeitweilig in der Hofkapelle von Friedrich II. tätig gewesen, ehe er in die Dienste des Gothaischen Hofes trat und dort unter anderem sein berühmtes Melodram „Medea“ verfasste. Mendelssohn dagegen weilte nur in der Residenzstadt, um im Neuen Palais mehrere Bühnenmusiken aufzuführen. Stilistisch liegen Dezennien und Welten zwischen ihnen.

Bendas Kompositionen sind „neu, meisterhaft und gelehrt“, weiß der englische Musikreisende Charles Burney zu berichten, „viele wollen aber darin ein bis zur Affektation getriebenes Bestreben nach etwas Eigentümlichem angemerkt haben“. So auch in der „Medea“-Musik, die den Hörer nicht auf das jeweils Kommende einstimmt, sondern tonmalerisch das gerade Gesprochene illustriert. So ist das dramatische Geschehen auf spannende Weise konzentriert. Als der Argonautenheld Jason seine Gattin Medea wegen einer Jüngeren verlässt, ist deren Rache fürchterlich. Sie tötet die gemeinsamen Kinder genauso wie die Geliebte. Nachdem das Vorspiel straff artikuliert (und mit vielen Sforzati dramatisch aufgebrezelt) musiziert wird, nimmt sich Anna Thalbach des anspruchsvollen Sprechparts an. Sie forciert, treibt ihr helles Timbre unter ständigem Hochdruck in die Racheausbrüche, tobt gleich einer hysterischen Furie, dass einem angst und bange um ihre Stimmbänder wird. Das ständige Pressen verhindert, verstärkt durch tontechnische Unterstützung, eine differenzierte, weniger eintönige und plärrige Sprachbehandlung. Doch wenn es beispielsweise um den Zwiespalt der Gefühle einer liebenden, dennoch kindermordenden Mutter geht, verfügt Thalbach über geradezu anrührende Stimmfacetten genauso wie bei der nach vollbrachter Tat einsetzenden geistigen Umnachtung. Da findet die Schauspielerin zu gleichsam Wahnsinnstönen. Die musikalischen Verbindungsglieder schmieden die Kammerakademisten mit glühender Intensität, spannender Phrasierung und detailgenauer Hingabe – psychologisierendes Musizieren auf höchstem Niveau.

Solches wollten sie sicher auch dem zweiten Heimspieler Mendelssohn bei der Wiedergabe seines e-Moll-Violinkonzerts opus 64 aufnötigen, indem sie ihm eine antiromantische Deutung nebst willkürlichen Ausdrucksverstärkungen bei leidenschaftlichen Passagen verordneten. Doch der Manacordaische Trainerschuss geht in den Ecksätzen nach hinten los. Da wird das Gefühl gefoult, was Bogenstrich und Bläserdribbling à la Rossini hergeben. Gleich einem Stürmerstar fegt Geigerin Veronika Eberle auf ihrer „Dragonetti“-Stradivari virtuos übers (Noten-)Feld. Doch sie weiß auch mit empfindungsvollem Saitensingen im Andante-Satz zu begeistern. Eine lyrische Zugabe kündet davon.

Peter Buske

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