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Kultur: Heißblütig

Abschluss der „Landpartie“ in St. Peter und Paul

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Wo der Anfang, dort das Ende. Und so setzten die Brandenburgischen Sommerkonzerte den Schlusspunkt ihrer insgesamt 23 Konzertangebote mit Klassikern auf Landpartie wieder in Potsdam, in der nunmehr ausverkauften Propsteikirche St. Peter und Paul. Glücklich, wer wie der stellvertretende Landesvater Jörg Schönbohm oder Ingo Metzmacher als designierter Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin einen Platz im vorderen Drittel des Gotteshauses ergattern konnte. Dort nämlich war die Akustik den Klängen überaus hold, was sich in einem erfreulich transparenten Hörbild kundtat. Dagegen herrschte in den hinteren Reihen das altbekannte Dilemma eines diffusen Kuschelsounds, bei dem Feinheiten nicht mehr zu erkennen sind.

Doch vor dem Hörgenuss galt es erst einmal Grußworten zu lauschen, u. a. denen von RBB-Intendantin Dagmar Reim. Sie bescheinigte den Brandenburgischen Sommerkonzerten und ihrem Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Kirchner, dass sie in 16 Jahren nachdrücklich das Vorurteil widerlegt hätten, im Lande sei kulturell nichts los. Faktensicher ist sie in ihrer Dankesrede allerdings nicht. Bei allem von ihr gepriesenen Kirchnerschen Bemühen um den Erhalt der nach wie vor ohne öffentliche Gelder finanzierten Konzertreihe: nicht er, sondern Werner Martin hat die „Klassiker auf Landpartie“ zu dem gemacht, was sie heute sind – ein sommerliches Highlight für die Mark. Dann hat die Musik endlich das Sagen.

Mozarts einleitend erklingender „Pariser“ Sinfonie D-Dur KV 297 verhilft Trevor Pinnock zusammen mit den Musikern des Deutschen Symphonie-Orchesters zu einer ungestümen, leidenschaftsbrodelnden Wiedergabe. Direkt und kraftvoll geht man gemeinsam zu Werke, frönt der Lust am abrupten dynamischen Kontrast. Dennoch gibt man der Musik genügend Zeit und Raum, sich geschmeidig, glanzvoll und detailreich ausbreiten zu können. Der Pionier in der Aufführungspraxis barocker und klassischer Musik ist da ganz in seinem Element. Und bei den Romantikern? Frönt er ebenfalls seiner Vorliebe fürs Brio.

In Max Bruchs legendärem g-Moll-Violinkonzert op. 26 musiziert man mit der Intensität eines Vulkans, wobei sich der Solist Joshua Bell in den schnellen Ecksätzen ganz der Entfesselung lodernden Virtuosenfeuers hingibt. Sportiv ist sein Saitenzugriff, klar und kräftig sein Bogenstrich, groß der Ton seiner Stradivari von 1713. Wie auf dem Sprung musiziert er Heißblütigkeit und räumt auch der Darstellung von seelischen Zerklüftungen breiten Raum ein. Dem oft als Kitsch verschrieenen Adagio-Satz treibt er jegliche Sentimentalisierungen aus, belässt ihm jedoch seine melodische Süße. Er singt berückend schöne Töne und kommt dabei mit ganz wenig Vibrato aus. Fantastisch. Dem anhaltenden Bravobeifall dankt er mit einer Piece aus der Filmmusik „The Red Violin“ von John Corigliano.

Als Meister der Übergänge erweisen sich abschließend Dirigent und Musiker in der a-Moll-Sinfonie op. 56 von Felix Mendelssohn Bartholdy, die „Schottische“ genannt. Voller Verve brechen sie zu klanglichen Abenteuern in die von rauen Winden durchtosten Highlands auf, spüren das geheimnisvoll Raunende genauso auf wie einen archaischen Bardengesang oder pastorales Lebensgefühl. Unentwegt werden enorme Spannungspotenziale erzeugt und entladen – es ist der unaufhörlichen Bewegung und thematischen Entwicklung fast kein Ende. Schier atemlos verfolgt man die kraftvoll gelenkten Energieströme, mit denen sich das Geschehen spannend ausbreitet und in den finalen Hymnus steigert. Mit einer Orchesterzugabe und einem Glas Sekt für alle geht die Saison zu Ende.

Peter Buske

Der Konzertmitschnitt wird am 19.9., 20.03 Uhr, auf Deutschlandradio Kultur gesendet.

Peter Buske

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