Kultur: Helle Tage, zarte Seufzer ...
Ensemble Freetwork begeisterte im Palmensaal
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Man kann sich heute gar nicht vorstellen, wie schwierig es im Mittelalter war, vervielfältigte Noten zu erhalten. In Klöstern gab es zwar Handschriften, die vor allem die geistliche Musik notierten, aber nicht für jedermann. Erst mit Gutenberg und seiner Buchdruckerfindung konnte man Bücher reproduzieren. Um 1501 gelang auch dem Italiener Ottaviano Petrucci der Typendruck von mehrstimmiger Musik in Venedig.
Die Musikfestspiele erinnerten in einem Konzert mit dem Ensemble Freetwork aus London im Palmensaal der Orangerie im Neuen Garten an Petruccis erstes gedrucktes Notenbuch: „Harmonic Musices Odhecaton“. Nicht nur geistliche Gesänge sind darin zu finden, sondern vor allem Liebeslieder. Verfasst wurden sie von den damals bedeutendsten franko-flämischen Komponisten Guillaume Dufay, Josquin Deprez, Alexander Agricola oder dem Italiener Bartolomeo Tromboncino.
Das Ensemble Freetwork, zu dem die Mezzosopranistin Claire Wilkinson und ein Gambenquintett gehört, sangen und spielten diese Kostbarkeiten vom Übergang des Spätmittelalters zur Renaissancezeit. Sie stellten ihre außerordentliche Musizierkunst ganz in den Dienst der Werke, völlig uneitel präsentierten sie diese selten zu hörenden Werke. So souverän hat man Künstler selten beim Umgang mit diesem ersten Höhepunkt polyphoner Musik erlebt. Jeder Künstler ein Meister auf der Viola da gamba. Neben ruhigen Passagen mussten sie extrem Artistisches bewältigen. Aber immer bestimmte ein inniger Ensembleklang das Musizieren von Freetwork. Es ließ sich auch dann nicht aus der Ruhe bringen, als einer Musikerin eine Darmsaite von ihrer Gambe sprang.
Von besonderer Schönheit entpuppten sich Alexander Agricolas Instrumentalstücke und Bartolomeo Tromboncinos Lieder, die er auf Texte des Dichters Petrarca vertonte. Claire Wilkinson hat äußerst geschmackvoll und ganz auf Natürlichkeit bedacht, die Gesänge, in der jede Stimme gleichberechtigt ist, gemeinsam mit den Gambisten zu Gehör gebracht. So wie es in einem Lied zu vernehmen war, konnte man bei den Interpretationen h erleben: fröhliches Leben, helle Tage, ruhige Nächte, zarte Seufzer und ein süßer Ausdruck. Der Beifall war überaus herzlich.Klaus Büstrin
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