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Kultur: Heraus aus der Masse

Malgven Gerbes und David Brandstätter eröffnen das „Herbstleuchten“ in der fabrik

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Die beiden Tänzer wissen sehr präzise über ihre Arbeit zu erzählen: Anfangs stehen sie sich fremd gegenüber – wie zwei isolierte Welten. Dann beginnen sie, sich gegenseitig zu erforschen, sanft, aber bis ins kleinste Detail. Die Hand des anderen wird angehoben, die Muskelkontraktion beobachtet. Stück für Stück ertasten sie sich, in einem einfachen, direkten Spiel. Über die äußerliche Erkundung werden allmählich Emotionen geweckt. Schließlich mündet das Nachspüren in ein gemeinsames Duett.

Die Französin Malgven Gerbes und der Deutsche David Brandstätter, die am Freitag und Samstag in der fabrik ihre Choreografie „I don“t remember what time it was“ vorstellen, haben sich während ihres Studiums in Holland kennengelernt und sind seitdem ein unzertrennliches Bühnenpaar. Acht Stücke haben sie bereits miteinander entwickelt. Ihr Duett brachten sie schon des öfteren zur Aufführung, doch immer in veränderter Fassung. „Es ist unser Spiegel, der uns zeigt, wo wir gerade stehen“, sagt David Brandstätter, der vor seiner Tanzlaufbahn in Hamburg Musikwissenschaft studierte. Der Musik hält er bis heute die Treue, denn die elektronischen Klangteppiche, die den Choreografien unterlegt sind, komponiert er selbst. „Keine konventionelle Tanzmusik, eher eine abstrakte, atmosphärische Tongebung, die auch Momente der Stille bereit hält“, so der gebürtige Frankfurter. Das Duett von Malvges Gerbes und David Brandstätter ist nur das „Vorspiel“ zu dem ganzabendlichen Thema „Begegnung“, das sie in der fabrik zum „Herbstleuchten“ bringen wollen. Ihr anschließendes, viel größer angelegtes Stück „Recontres“ entwickelten sie während ihrer Potsdamer Residence-Zeit und es führt sie mit fünf weiteren Performern zusammen. Eine Frage, die sie bei der Erarbeitung vorwärtstrieb, war: Inwieweit kann der Mensch allein auf seinen Füßen stehend und wann muss er sich bei anderen anlehnen? „Die sieben Tänzer sind anfangs als ein komplexes Gebilde miteinander verzahnt. Die kleinste Bewegung eines Einzelnen zieht die der anderen zwangsweise nach sich. Verlässt einer die Gruppe, bricht der ganze Haufen zusammen“, erzählt Malgven Gerbes, die neben Tanz auch Architektur studierte. Schließlich bricht dieser Körperkoloss auf und die Tänzer agieren solo. „Jeder hat seine eigene Mission, trifft dabei aber immer auf andere Tänzer, mit denen er sich auseinandersetzen muss.“ Man spüre dabei die unterschiedliche Herkunft der Akteure, die aus Asien, Lateinamerika und Europa kommen und nun in der Begegnung ihre tänzerischen Vokabeln aufeinanderprallen lassen. „Gezeigt werden soll die Unmöglichkeit, Menschen zusammenzufassen“, erläutern die Tänzer ihre Konzeption. Und doch nehmen die Akteure am Ende Abschied von ihrem Solo. Sie kommen „aufgeweicht“ durch das individuelle Agieren inmitten des Publikums zur Ruhe. „Sie finden nunmehr nicht aus Zwang, sondern aus persönlicher Motivation zusammen.“

„Rencontres“ ist eine von sieben Arbeiten, die bei dem Freitag beginnenden „Herbstleuchten“ vorgestellt werden. Die Werkschau gibt Einblick in die Arbeit der Residenzen. Seit dem Start im August 2006 waren 26 Gruppen und Choreografen in der fabrik. Diesem ersten Herbstleuchten sollen weitere folgen. Heidi Jäger

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