Kultur: Hielt die Besucher mit ihrer Verzierungskunst gefangen Lucia Aliberti – eine Diva mit Charme zu Gast im Nikolaisaal
Da schwebt sie herein, mit ihrem schwarzen Gewand, den langen Locken und dem strahlenden Lächeln. Lucia Aliberti gewinnt ihr Publikum, bevor sie auch nur einen Ton gesungen hat.
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Da schwebt sie herein, mit ihrem schwarzen Gewand, den langen Locken und dem strahlenden Lächeln. Lucia Aliberti gewinnt ihr Publikum, bevor sie auch nur einen Ton gesungen hat. Eine Diva mit Charisma. Ein Star mit Haut und Haar. Auch mit Stimme? Sie will Melodien mit der Stimme malen. Diese Metapher gebraucht sie gern. Händel und Vivaldi stellen ihr nicht ganz die passende Palette zur Verfügung. Lucia Aliberti braucht viele Farben und einen etwas breiteren Pinsel. Mit drei Bellini-Arien kommt sie zu Hause an. Hingebungsvoll, leidenschftlich erregt blüht ihre Stimme auf. Sie fühlt sich wohl bei ihrem Lieblingskomponisten. In ihrer „Villa Bellini“ sammelt sie seit langem Devotionalien des Italieners. Belcantostar Gut, dass sie nicht Lehrerin geworden ist, wie sie eigentlich wollte. In ihrem Heimatort Messina wurde rechtzeitig ihre Stimme entdeckt. Beim Opernwettbewerb von Spoleto hatte sie 1978 sofort Erfolg. Nach ihrem Debut in Lucia di Lammermoor“ an der Deutschen Oper Berlin fünf Jahre später ging ihre Stimme rund um die Welt. Ein neuer Belcantostar war geboren. An der New Yorker Met, der Mailänder Scala, zwischen London und Salzburg war Lucia Aliberti gefragt. „Die Callas der Zukunft“ hat man sie damals oft genannt. Nicht nur das Repertoire, auch die lange Nase und die expressive Bühnenpräsenz forderten zu Vergleichen heraus. Lucia Aliberti hat sich dagegen immer gewehrt. Schnell stellte sie klar: Sie wollte eine originale Aliberti und keine zweite Auflage der Callas sein. Zum verinnerlichten Verdi-Gebet legt die Sopranistin ihre Hände zusammen. In ihrem Repertoire dominieren die tragischen Heroinen, die wahnsinnigen und mordenden Frauen. Aber sie fegt auch Verdis Schornsteinfeger-Lied „Lo spazzacamino“ mit Spieltemperament über die Bühne. Die Oper ist ihre Welt. Sie gestikuliert und spielt auch in ihren Liederabenden. Lucia Alibertis Stern ist in den letzten Jahren gesunken. Die Opernabende an den großen Häusern gehören nicht mehr zum Alltag. Konzerte in Seoul, Rom, Salzburg und Berlin dominieren in diesem Jahr. In der Ära Götz Friedrich hat sie an der Deutschen Oper Berlin besondere Erfolge gefeiert. Nach dem Intendantenwechsel hat sie keine Einladung mehr bekommen. Ihre Fans stehen treu zu ihr. Sie hören über brüchige Lagenwechsel gern hinweg. Sie lassen sich von der Magie ihrer Persönlichkeit vereinnahmen. Peter von Wienhardt hat sie mit nach Potsdam gebracht. Der Pianist begleitet die Diva mit Respekt und rhythmischem Schwung. Unauffällig würde er bleiben, wären da nicht die Soloeinlagen, die der Sopranistin ein paar Atempausen gönnen. Der Budapester reibt sich die Hände warm. Carl Maria von Webers „Perpetuum mobile“ präsentiert er als effektvolle Raserei mit Donnerbässen und Bleifuß auf dem Pedal. Nach Frederic Mompous Prelude für die linke Hand präsentiert er einen romantischen Konzertwalzer von Lucia Aliberti, nostalgisch, virtuos, mit Ohrwurmmelodie. Seit langem hat Lucia Aliberti in ihren Opern- und Konzertpausen komponiert. Schließlich hat sie eine vielseitige Ausbildung hinter sich. Auch Gitarre, Mandoline, Akkordeon und Violine hat sie gelernt. Erst seit ein paar Jahren traut sie sich mit ihren Kompositionen an die Öffentlichkeit. Ihre draufgängerische Konzertarie „Raggio d“amore“ mit ihren gewagten Sprüngen und gepflegten Koloraturen hat sie sich selbst auf die Stimmbänder geschrieben. Nuancierungsfreude Im Rahmen der Brandenburgischen Sommerkonzerte zieht Lucia Aliberti die Register ihrer Belcanto-Kunst. Aber nicht nur. Mit dem Viljalied unternimmt sie einen Abstecher ins Operettenfach. Zu Nino Rotas Filmmusik hat sie eine besondere Beziehung. Schließlich wurde Francis Ford Coppolas „Der Pate“ in ihrer Heimat Szilien gedreht. Lucia Aliberti hält ihr Publikum mit ihrer Nuancierungsfreude und Verzierungskunst gefangen. Sie beeindruckt mit ihren großen, bedächtigen Bewegungen zwischen den Herbststräußen auf der Bühne. Das Publikum klatscht gerne mit. Im Trinklied aus „La Traviata“ bringt die Diva es sogar beinahe zum Mitsingen. Sonja Lenz
Sonja Lenz
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