Kultur: Hier kann ich nicht sein
Premiere der fabrik company im T-Werk: Ein Versuch Kleist zu tanzen
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Premiere der fabrik company im T-Werk: Ein Versuch Kleist zu tanzen Von Marion Hartig Sein Leben ein Zwiespalt. Das Herz hebt sich freudig unter der Brust, wenn die Sonne hinter den Bergen über den sattgrünen Tälern aufsteigt. Und als er Liebe fühlt, von einer begehrten Frau, schwingt er durch das Leben, dreht sich mit ihr im Kreise. Doch oft plagt ihn die Traurigkeit, die Suche nach der absoluten Wahrheit, der bedingungslosen Liebe, die er nicht zu finden vermag. Eine unerträgliche Last auf seinen Schultern. Er hetzt durch die Welt. Ein Gefangener seiner selbst. Ziellos und panisch stolpert er über die Bühne. Das Innenleben des preußischen Dichters Heinrich von Kleist, in diesen wenigen einfühlsamen wie schönen Theater-Bildern wird es plastisch. „Do you want to die with me?“, Willst du mit mir sterben?, ist der Titel des neuen Tanzstücks der fabrik company, das am Donnerstag im T-Werk Premiere hatte. Die Aufführung war ein Versuch, sich dem Dramatiker Kleist zu nähern, der sich 1811, 34-jährig, gemeinsam mit der schwerkranken Henriette Vogel am Kleinen Wannsee erschoss. Der Potsdamer Sven Till und die Tänzerin Hiekyoung Kim aus Berlin interpretierten die hinterlassenen Briefe des verzweifelten Denkers. Regie führte Andrew Dawson, der für die fabrik auch schon „Pandora 88“ inzensierte. Kein leichtes Vorhaben, Text in Tanz umzusetzen, daran sind schon viele Künstler gescheitert. Zu hohe Ansprüche, viel Theorie im Hintergrund, die sich nur schwer vermitteln lässt. In diese Falle ist auch die Potsdamer company getappt. Ihr Stück, das sei vorweggenommen, konnte nicht wirklich überzeugen. Längen in der Geschichte, Szenen, die zufällig gewählt schienen, sich dem Betrachter zumindest nicht erschlossen. Viel stilles, undeutliches Theater, wenig starker Tanz. Wie schade! Hatte das Stück doch sehr vielversprechend begonnen. Mit einem Kleist, der sich aus den Schnipseln eines zerrissenen Briefes sein eigenes Gefängnis baut, ein kleiner Kreis, aus dem er nicht herauskommt. Er tanzt vor und zurück, dreht sich um sich selbst. Am Rande eine Frau am Tisch. Er setzt sich zu ihr. Zögerlich berühren sich ihre Hände, streichen sie sich über die Arme, kommen sich näher. Werden fast eins, unter dem grünen Ledermantel, in den sie sich gemeinsam hüllen. Sie setzen sich an den Tisch, trinken beide das Mittel, das sie aus der Welt bringen soll. Dann stürzt alles zusammen. Die beiden liegen am Boden. Und nun beginnt das Verwirrspiel. Soll die parodistische Szene mit dem marionettenhaften Tanz hinter dem Kleid, bei dem nur Arme und Beine des Tänzers zu sehen sind, auf Kleists Text zum Marionettentheater anspielen? Und welche Bedeutung hätte das für das Stück? Warum die Zauberszene, ein Motiv, das nie wieder auftaucht und so doch recht zufällig wirkt? Warum lässt der Dichter (in einem einfallsreich wie ästhetisch getanzten aber unverständlichen Bild) die Frau in die Militärstiefel schlüpfen, anstatt sie selbst zu tragen? Die ausdrucksstarke Musik von Matthias Hermann schafft dann das, was den Darstellern nicht immer gelingen mag. Sie bewegt, schafft Stimmung, füllt den Raum, macht anschaulich. Alles in allem ein Abend, der Kleist und seine verwirrenden Gefühlswelten wenigstens angedeutet hat. Nur leider war auch das Publikum am Ende leicht verwirrt. T- Werk, heute und morgen, 20 Uhr, Sophiensäle Berlin, 30., 31., Juli, 21 Uhr
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