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Strahlender Klang in strahlender Halle. Das Festival Vocalise mit dem Neuen Kammerchor Potsdam in der Erlöserkirche.

© promo

Von Klaus Büstrin: Himmlisch-irdische Musik

Potsdamer Vocalwochen „Vocalise“ beginnen am Samstag in der Erlöserkirche

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Mit Bach wird der Anfang gemacht. Und mit dem Schwierigsten zugleich, mit der h-Moll-Messe. Der Musikwissenschaftler Klaus Häfner schrieb: „Dass je seine Werke zum musikalischen Evangelium der Nachwelt werden und von dieser Takt für Takt studiert würden, hat er gewiss niemals geahnt.“ Ein Eindringen in die tieferen Schichten der Messe (1733) gehört für Chor, Gesangssolisten und Orchester, für Zuhörer zu den Höhepunkten musikalischer Erkenntnisse. Bach hat auch mit ihr tiefe Emotionen und zeitlose existenzielle Fragen in himmlisch-irdische Musik verwandelt.

Mit Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe werden am kommenden Samstag und Sonntag in der Erlöserkirche die Potsdamer Kantorei und das Neue Kammerorchester Potsdam unter dem Dirigat von Ud Joffe die Potsdamer Vocalwochen „Vocalise“ eröffnen. Es ist bereits das zehnte Mal, dass der Dirigent und künstlerische Leiter von „Musik an der Erlöserkirche“, Ud Joffe, das kleine spätherbstliche Festival vorbereitet und aufs Podium bringt. Im Mittelpunkt steht dabei die menschliche Stimme, vor allem das Singen. Von Anfang an war die Potsdamer Kantorei dabei. Aber auch der Neue Kammerchor sowie das Neue Kammerorchester Potsdam. Und diese beiden Klangkörper, gegründet von Joffe, blicken nun ebenfalls auf zehn Jahre erfolgreiches konzertantes Singen und Musizieren zurück.

In ihrer relativ kurzen Geschichte hat das Festival in großer Vielfalt den besonderen Schatz der Musik in zumeist überaus qualitätsvollen Aufführungen gehoben. Neun Konzerte fokussieren auch in diesem Jahr wieder das Kraftfeld zwischen Spiritualität, Schöpfung und Individualität. Natürlich hat die Musica sacra in erster Linie das Sagen, aber auch Weltliches wird erklingen. „In diesem Jahr wenden wir uns vorrangig der Messe zu, jene Jahrhunderte alte Gottesdienstform, die Komponisten bis in unsere Tage hinein fasziniert und mit ihrer jeweiligen Musik befragen.“ Neben der Bach’schen h-Moll-Messe kommen Robert Schumanns Messe c-Moll, das Magnificat von Carl Emanuel Bach sowie die Berliner Messe von Arvo Pärt zur Aufführung.

Schumann wandte sich erst spät der geistlichen Musik zu, vier Jahre vor seinem Tod 1856. „Der geistlichen Musik die Kraft zuzuwenden, bleibt ja wohl das höchste Ziel des Künstlers“, schreibt er in einem Brief. Das sich an Bach orientierende Werk wird vom Oratorienchor Potsdam und dem Philharmonischen Orchester Cottbus unter der Leitung von Matthias Jacob aufgeführt. Vor der Messe musiziert der Klangkörper aus Cottbus die Sinfonie Nr. 4 d-Moll von Robert Schumann. Das Dirigat übernimmt hierbei Evan Christ.

Der gebürtige Este Arvo Pärt gehört zweifellos zu den wichtigsten Komponisten unserer Zeit. Seine Berliner Messe musizieren am 28. November in der Erlöserkirche der Neue Kammerchor sowie das Neue Kammerorchester. Sie ist ein Werk von großer archaischer Kraft, in dem sich „Traditionen aus dem östlich-orthodoxen, dem römisch-katholischen und dem protestantischen Europa treffen und sich wechselseitig bereichern“, sagt Ud Joffe. Zu dem Pärt-Opus wird Carl Emanuel Bachs empfindsame Magnificat-Vertonung gestellt.

Für die „Vocalise“ konnten auch die berühmten The King‘s Singers gewonnen werden. Das Konzert der sechs Engländer, das gemeinsam mit dem Nikolaisaal verantwortet wird, vereint ihre Entertainer-Qualitäten mit einem Chorklang von hohen Graden. Auch ein Sinfoniekonzert in der Erlöserkirche steht auf dem Programm des Festivals. Das Neue Kammerorchester Potsdam spielt an diesem Abend Werke von Arvo Pärt und Benjamin Britten.

Zu einem Festival-Höhepunkt wird sich das Konzert mit synagogaler Musik gestalten. Kantor Azi Schwartz sowie das Ensemble Keduscha – Mitglieder des RIAS Kammerchores –, werden unter der Gesamtleitung des aus Israel stammenden Dirigenten Ud Joffe liturgische Musik des jüdischen Gottesdienstes zu Gehör bringen. „Mit der Erlöserkirche wird sie an einem christlichen Ort erklingen, doch ich warte auf einen passenden Raum in Potsdam. Aber mit dem zu erwartenden Neubau der Synagoge in der Schlossstraße kommt er nicht, da er den Ansprüchen eines Gebetssaales nicht genügt. Für musikalische Aufführungen wird er ungeeignet sein“, bemerkt der Dirigent und Initiator von „Vocalise“.

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