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Kultur: Hingebungsvoll

Waltraud Kramm wird heute achtzig

Stand:

Programmhefte des Hans Otto Theaters aus den fünfziger Jahren lagern im Privatarchi, darunter zu den Inszenierungen von Lessings „Nathan der Weise“, Goethes „Egmont“ oder zu dem heute unbekannten Märchenstück „Der fliegende Teppich“. Auf den Besetzungszetteln stand der Name von Waltraud Kramm. Die junge Schauspielerin spielte oft die weibliche Hauptrolle: junge liebende, zunächst naive Frauen, die aber an Selbstbewusstsein gewinnen. Bis 1958 konnte man sie auf der Bühne des Hans Otto Theaters in der Zimmerstraße erleben. Dann verließ sie das Theater, um sich anderen Aufgaben verstärkt zu widmen.

Beim Film hatte sie schon 1948, da war sie 17 Jahre alt, ihr Debüt. Regisseur Kurt Maetzig holte Waltraud Kramm für eine der Hauptrollen zu dem DEFA-Film „Die Buntkarierten“, der die Chronik einer Berliner Arbeiterfamilie erzählt und zu einem Filmklassiker der ersten Nachkriegsjahre wurde. Im „Buntkarierten“-Jahr begann ihre künstlerische Ausbildung an der Defa-Schauspielschule, eine Vorläuferin der heutigen Hochschule für Film und Fernsehen. Auch Wolfgang Staudte, der mit „Die Mörder sind unter uns“ und „Der Untertan“ Filmgeschichte geschrieben hat, ist von Waltraud Kramms Begabung überzeugt. Er verpflichtete sie für seinen spröden und sozialkritischen Streifen „Leuchtfeuer“, Herbert Ballmann holte sie als eine der Protagonistinnen für „Der Prozess wird vertagt“ an die Seite von Gisela Uhlen und Raimund Schelcher. Es waren zumeist die nachdenklichen, auch herben Frauen, die die Schauspielerin verkörperte, später die mütterlichen. Dann kamen nicht mehr die ganz großen Aufgaben von der Defa und vom Fernsehen. Aber sie ist weiterhin in vielen Filmen präsent, zumeist in der zweiten Reihe. Doch Waltraud Kramm weiß all ihren Rollen, den großen und den kleinen, unbedingtes Profil zu geben, sei es in Konrad Wolfs preisgekrönten Filmkunstwerken „Sterne“ (1959) und „Der geteilte Himmel“ (1964) oder in „Effi Briest“ (1970) von Wolfgang Luderer. Auch ihre komödiantische Seite lässt sie beispielsweise in „Zum Teufel mit Harbolla“ (1989) als köstliche Zeitungsverkäuferin nur so sprudeln. Bis 1997 steht die Schauspielerin in der TV-Serie „Liebling Kreuzberg“ vor der Kamera.

Es ist die Vielfalt künstlerischen Schaffens, die Waltraud Kramm interessiert. Besonders gern steht sie auch vor dem Mikrofon beim Funk oder im Synchronstudio. Schon als Fünfjährige ist sie über das Radio in der Sendung „Kunterbunt“ zu hören gewesen. Nach dem Krieg ist sie wieder als Sprecherin tätig. Fast 30 Jahre spricht die Schauspielerin die Rolle des Kleinen Pfennig in der Kinderfunkreihe „Aus dem Butzemannhaus“. Waltraud Kramms „akustisch sehr wirksame, dem Mikrofon verbundene Stimme, deren dunkles warmes Timbre sofort anspricht“, behält man dankbar in Erinnerung. Immer akkurat und immer hingebungsvoll im Dienst der Sprache bringt sie die Texte mit wunderbaren Farben zum Leuchten, so in zahlreichen Hörspielen für Kinder und Erwachsene. Das konnte man auch in der Urania-Reihe „Im Garten vorgelesen“ erleben, in der sie Andersen-Märchen sowie Balladen von Goethe und Schiller las.

Waltraud Kramm, die in Berlin Gebürtige und in Babelsberg Lebende, hat an der Film-, Fernseh- und Rundfunkgeschichte mitgeschrieben. Ohne Aufhebens. Heute wird sie 80 Jahre alt. Klaus Büstrin

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