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Kultur: Hingebungsvolle Porträtisten

Klassik am Sonntag im Nikolaisaal: Romeo-und-Julia-Variationen

Klassik am Sonntag im Nikolaisaal: Romeo-und-Julia-Variationen „Willst du schon geh''n? Der Tag ist ja noch fern. Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang", beschwört Julia ihren Romeo zum Bleiben. Doch der ist Realist. „Die Lerche war''s, die Tagverkünderin Der muntre Tag erklimmt die dunst''gen Höh''n; nur Eile rettet mich, Verzug ist Tod." Das berühmteste Liebespaar der Weltliteratur ist wieder auferstanden, uns am Totensonntag den „Hergang ihrer todgeweihten Lieb und der Verlauf der elterlichen Wut, die nur der Kinder Tod von dannen trieb“ (wie es im Prolog zu Shakespeares Drama „Romeo und Julia" heißt) im Nikolaisaal zu erzählen. Und zwar hauptsächlich durch musikalische Vermittlung, denn es waren der Komponisten viele, die sich von diesem Sujet zu beeindruckenden Tondramen anregen ließen. Da es sich bei diesem musikalisch-literarischen Gebinde, überreicht vom Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt unter Leitung des kurzfristig eingesprungenen Dirigenten Fabrice Bollon, um ein „Klassik am Sonntag“-Konzert handelt, erzählt Moderator Clemens Goldberg ein wenig von den Absichten jener Tonsetzer, deren Werke ausschnittsweise erklingen. Die Beschäftigung mit dem Veroneser Liebespaar regt Peter Tschaikowski zu einer sehr romantischen Fantasieouvertüre an. In großer Ruhe, mit Leidenschaft wird die Partitur psychologisch ausgeleuchtet. Mit kontrollierter Hingabe befleißigen sich die Musiker eines slawischen Schwelgens, welches das schwärmerische Begehren der Protagonisten genauso wiedergibt wie den katastrophischen Familienzwist der Capulets und Montagues. „Wer ist das Fräulein?“ fragt Romeo (Johannes Suhm) rein rhetorisch beim Anblick Julias (Jennipher Antoni). Während er sich gleichsam als schüchterner Liebhaber in schlanker Gestalt und heller, modulationsarmer Diktion reichlich amateurhaft durch die Verse deklamiert, gibt sich die Angebetete als ein reizend anzuschauendes, selbstbewusstes Persönchen. Den Mimen vom Hans Otto Theater steht Intendant Uwe Eric Laufenberg als „Prolog“-Sprecher, Stichwortgeber und Mercutio-Rezitator zur Seite. Zupackend, geradezu holzschnittartig hebt sich der „Vorhang“ zur „Romeo und Julia“-Ballettversion von Sergej Prokofjew, die eingangs „Die Montagues und Capulets“ beschreibt. Celestaklänge und Glissandi drücken das Gleisnerische von Romeos Familie aus, während Julias Sippe sich in herrischem Gebaren zeigt. Die Frankfurter erweisen sich nicht nur hier als vorzügliche Porträtmaler. Auch „Das Mädchen Julia“ konterfeien sie mit zärtlicher Hingabe. Die Gefühle der Glückseligkeit (Balkonszene) strömen sanft dahin. Die Seele zeigt sich berührt. Nicht weniger in Schwingungen versetzt wird sie durch vier Sätze aus der dramatischen Symphonie „Roméo et Juliette" von Hector Berlioz. Dazu hat sich das Staatsorchester in deutscher Sitzordnung platziert, bei der die ersten Geigen den zweiten gegenüber sitzen, die Kontrabässe auf die hintere linke Position gewandert sind. So schwelgt zu sehnsuchtsvollem Musizieren zusammen, wonach die Klanggestalten verlangen. Theatralische Imaginationen stellen sich ein, wenn etwa der Ball klangüppig aufrauscht, die Nacht vom schönsten Liebesglücke kündet. Flink, fast geisterhaft huscht „Königin Mab, die Traumfee“ vorüber. Nicht weniger klangnaturalistisch beschreibt sich Julias Erwachen (in der Familiengruft) bis zu ihrem bitteren Ende. Die Idee des Themenkonzerts hat sich vorzüglich eingelöst, der Beifall brandet.Peter Buske Am kommenden Sonntag gastiert in der Foyer-Reihe „Stunde der Musik“ das Atrium-Ensemble Berlin mit „Vier Stimmen – ein Klang“. Beginn 16 Uhr.

Peter Buske

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