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Antoine Tamestit in Potsdam: Hinreißend virtuos, ja brillant

Die Kammerakademie Potsdam und der Bratschist Antoine Tamestit begeisterten im Nikolaisaal mit „Der Schwanendreher“.

Potsdam - Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ steckt nach Alfred Polgar „so voll ewiger Melodie, dass die Engel unter allen Umständen mitsingen…“. Ob dies auch für die Interpretation von Felix Mendelssohn Bartholdys Sommernachtstraum-Suite durch die Kammerakademie Potsdam (KAP) gilt? Vielleicht würden die Engel sich von dieser eher zum herzlichen Kichern animieren lassen, denn Chefdirigent Antonello Manacorda verlieh ihr trefflich burschikose Konturen. Detailreich und plastisch wurde musiziert, es entstand eine von Elfenzauber und Rüpelscherzen geprägte Atmosphäre, wenn man von den kleinen Unpässlichkeiten der Posaunen im berühmten Hochzeitsmarsch absieht. Gleichsam hat die Kammerakademie mit diesem ersten Sinfoniekonzert der neuen Saison ihr Mendelssohn-Repertoire weitergeführt. Die Suite hat viel mit Potsdam zu tun. Auf Wunsch des Preußen-Königs Friedrich Wilhelm IV. wurde sie 1843 im Neuen Palais erstmals zur Aufführung gebracht. Der Komponist fungierte als Dirigent.

Zwei weitere Werke Mendelssohns hatte die KAP für das Konzert in petto: die sorgfältige Wiedergabe der Ouvertüren zum Schauspiel „Ruy Blas“ von Victor Hugo sowie zum „Märchen von der schönen Melusine“. Zunächst wollte der Komponist die Ouvertüre zu Hugos Stück nicht schreiben. Er fand es wegen der vielen Morde, die in ihm geschehen, schrecklich. Doch die Auftraggeber konnten seinen Ehrgeiz wecken, sodass schließlich eine leidenschaftlich-dramatische Musik entstand. Dirigent und Kammerakademie zeigten sich von den einleitenden, lastenden Bläserakkorden an bis zur letzten Note von ihrer spannungsreichen und profilierten Seite. Vor allem haben die Holzbläser die Welt der Nixe Melusine mit quecksilbriger Leichtigkeit beschworen.

Berückend schön

Den Höhepunkt absolvierten Antonello Manacorda und die Kammerakademie jedoch mit der Interpretation des Konzerts „Der Schwanendreher“, das Paul Hindemith 1935 nach alten Volksliedern für Viola und kleines Orchester schrieb. Dazu luden sie den französischen Ausnahme-Bratschisten Antoine Tamestit als Solisten ein. Der Komponist war selbst ein gefragter Bratscher. Seinen „Schwanendreher“ hat er in Deutschland nie gespielt. Die Nationalsozialisten hassten seine Musik und vertrieben ihn aus seinem Heimatland.

Tamestits Einstieg zum Werk nahm durch einen nuancierten Zugang gefangen. Der expressive Ausbruch führte ins Pianissimo und wurde dort von einem abgedämpften kleinen Orchester in mittleren und tiefen Registerlagen aufgegriffen. Wie selbstverständlich wusste Antoine Tamestit die Phrasen und Kantilenen zu formen. Berückend schön gelang das feine Miteinander von Bratsche und Harfe (Tatjana Schütz) beim Volkslied „Nun laube Lindlein, laube“ und man bewunderte die hinreißende Virtuosität Tamestits. Das Finale des „Schwanendrehers“ klang daher brillant. Die Zuhörer waren begeistert. Antoine Tamestit bedankte sich mit der Zugabe eines virtuos halsbrecherischen Stücks von Hindemith aus dem Jahr 1922. 

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