Kultur: Hohe Kunst
Marianne Boettcher in der Friedrichskirche
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Was berühmte Violinvirtuosen in den Konzertsälen der Welt spielen, ist für die Babelsberger Friedrichskirche gerade gut genug. „Das musikalische Zentrum des 21. Jahrhunderts heißt Babelsberg“, behauptete Walter Thomas Heyn einfach mal so. Bei der Freitagabendmusik stellte der Konzertgitarrist und Komponist sein Können vorwiegend in den Dienst der Begleitung des Soloinstruments. Die renommierte Geigerin Marianne Böttcher bot dem kleinen Zuhörerkreis eine Blütenlese der hohen Kunst des Geigenspiels, wie sie nicht alle Tage zu hören ist – und an solch einem bescheidenen Ort wie der Friedrichskirche im ehemaligen Weberviertel kaum erwartet wird.
Einzig bei den „Drei Kaminstücken“ des zeitgenössischen Komponisten Günter Neubert trat Walter Thomas Heyn als Solist hervor. Doch die sehr knappen Gitarrenminiaturen auf Gedichte von Eduard Mörike, Heinrich Heine und Nikolaus Lenau ließen nur wenig Raum für virtuoses Saitenspiel. Mehr davon gab es bei zwei Originalkompositionen für Violine und Gitarre zu hören. Diese Kombination erscheint heute eher ungewöhnlich, so sehr hat man sich an den raumfüllenden Klang von Geige und Klavier gewöhnt, der nicht zuletzt ein Resultat aus reisenden Virtuosen und großen Konzertsälen ist.
Dabei können in der älteren Verbindung von Violine und Gitarre viel intimere Töne angeschlagen werden. Hörbar ist dies bereits im Allegro der Sonate C-Dur von Philippo Gragnani, den Heyn als „Paganini der Gitarre“ vorstellte. Auch hier hat die Violine das erste Wort - süß zwitschernd, melancholisch schmelzend –, doch die Gitarre pariert durchaus eigenständig mit aparten Akkordschlägen und furiosen Läufen. Ein unnachahmliches Parfüm aus inniger Vertrautheit und selbstvergessener Zärtlichkeit verströmt das „Cantabile“ von Niccolò Paganini. Kein Wunder, schließlich wurde es während der gut versteckten Zweisamkeit mit der Gräfin Lucca, einer begabten Gitarristin, komponiert. Mit seiner empfindsamen Melodik, den spielerischen Verzierungen und Verzögerungen entpuppt es sich als Inbegriff einer Liebesromanze.
Dass es auch anders zugehen kann, zeigt Paganinis Sonate Nr. 4 mit burschikos hüpfendem, ausgelassenen Duktus. Das ursprünglich für Flöte und Gitarre geschriebene Zwischenspiel „Entr acte“ von Jacques Ibert bewahrt viel spanisches Kolorit und gibt der Gitarre die Gelegenheit, einmal richtig feurig im Flamencostil aufzutrumpfen. Die gleichmäßig wohlklingende, dabei wunderbar wandelbare Violinstimme von Marianne Böttcher verleiht nicht nur diesem Stück ein Höchstmaß an Brillanz und Virtuosität.
Mit Werken von zwei der größten Geigenvirtuosen überhaupt, Eugène Ysaye und Pablo de Sarasate, setzte die Professorin der Berliner Universität der Künste und gefragte Interpretin, dem Konzert weitere Glanzlichter auf. Wie schon Paganini waren auch Ysaye und Sarasate wahre Teufelsgeiger, die für ihr Instrument die außerordentlichsten Stücke schufen. Ysayes Sonate für Violine solo op. 24 Nr. 2, eine Hommage an J. S. Bach, ist gespickt mit technischen und harmonischen Schwierigkeiten. Sähe man die Spielerin nicht mit eigenen Augen, so glaubte man bei einigen mehrstimmigen Passagen, sie würden von zwei oder drei Geigen gespielt. Glissandi, Lagenwechsel und das Ausnutzen des gesamten Registers setzen spezielle Klangeffekte und wirken ein wenig aufgesetzt.
Ungleich organischer klingen Sarasates „Zigeunerweisen“. Gerade mit der schlichten Gitarrenbegleitung (Bearbeitung: W. Th. Heyn) entfalten sie eine sublime, ergreifende Wirkung. In der Tat: Mit dieser erlesenen Interpretation von Marianne Böttcher und Walter Thomas Heyn stand die Friedrichskirche nicht hinter größeren Konzertsälen zurück. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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