Kultur: Höhen und Tiefen
Soiree um Lady Hamilton im Palmensaal
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Sie war ein Star im ausgehenden 18. Jahrhundert: Keine andere Frau ihrer Zeit wurde so oft gemalt wie Lady Emma Hamilton. Maler aus ganz Europa portraitierten die junge Engländerin, die mit ihrer Kunst der Attitüde Furore machte. Auch Geheimrat Goethe war begeistert: „So viel ist gewiss: Der Spaß ist einzig“, notiert er 1787 nach einer ihrer Vorführungen in Neapel: „Sie nimmt ein paar Schals und macht eine Abwechslung von Stellungen, Gebärden, Mienen, dass man zuletzt wirklich meint, man träume.“
Das außergewöhnliche Leben von Lady Hamilton, Gattin des englischen Gesandten im Königreich Neapel und spätere Geliebte von Admiral Nelson, ist derzeit in einer Produktion der Potsdamer Hofkonzerte zu sehen (siehe www.potsdamer-hofkonzerte.de). Zwischen der Lady und Potsdam existiert sogar eine Verbindung in Gestalt der Vasen im Marmorpalais. Die wertvollen englischen Vasen aus der berühmten Manufaktur Wedgwood kopieren griechische Fundstücke, die unter anderem Lady Hamiltons Gemahl, Sir William, in Pompeji entdeckt und nach England gebracht hatte. So war die theatralisch-musikalische Inszenierung von Johanna Hasse zumindest schon durch den Spielort gerechtfertigt. In der Tat bietet der Palmensaal der Orangerie im Neuen Garten ein stimmiges Ambiente für das eineinhalbstündige Spiel mit Katrina Kumpane und Dieter Mann in den Rollen von Lady und Lord Hamilton.
Die Kunst von Lady Hamilton bestand in der stummen Nachbildung von Bildnissen und Skulpturen, häufig nach Motiven aus der griechischen oder römischen Antike. Lord Hamilton, Kunst- und Altertumsforscher und einer der ersten Vulkanologen, erläuterte die Stellungen der Lady für das Publikum. Man sollte wissen, dass diese „Attitudes“ kein leeres Posieren meinen, wie bei heutigen Models, sondern ganz im Gegenteil einen Einklang von Haltung und Gefühl, von Ethos und Pathos, von Form und Inhalt anstreben. Für die Dichter und Denker der Zeit erfüllten diese lebenden Bilder den Künstlertraum der sinnlichen Verbindung von Fleisch und Geist.
Lady Hamiltons Imitations- und Ausdruckskunst war so groß, dass sie für ihre Darstellungen mit einem schlichten Gewand und einem langen Schal auskam. So stellte sie Maria Magdalena, die Heilige Rosa, Sybille, Niobe, Iphigenie, Medea, Ariadne und viele andere dar. Beim Publikum riefen die Posen und Metamorphosen von Lady Hamilton alias Katrina Krumpane Belustigung hervor. Allerdings zogen die amüsierten Kommentare von Lord Hamilton alias Dieter Mann die Darstellungen eher ins Lächerliche. Dass die Attitüdenkunst Zeugnis einer vergangenen Kultur des Gefühls und des Ideals ablegt, vermittelte die an der Oberfläche verweilende Veranstaltung indessen nicht. Man begnügte sich mit der Nacherzählung (Text: Hans-Martin Rahner) der Biographie von Lady Hamilton, deren Leben Höhen und Tiefen wie nur wenige hatte. Als Tochter eines Hufschmieds geboren, wurde sie Malermodell und Mätresse adeliger Männer, bevor sie als Lady Hamilton das Vertrauen der neapolitanischen Königin gewann. Ihre Liebe zu Lord Nelson, den sie nach einem Kriegseinsatz in ihrem Haus aufnahm, führte zu einer ménage à trois und zur Geburt einer Tochter. Nach dem Tod beider Männer, erlebte sie sozialen Abstieg und Ruin.
Dass Lady Hamilton außerdem ein gute Sängerin und Pianistin war, die mit berühmten Komponisten wie Josef Haydn konzertierte, gab Gelegenheit für einige musikalische Einlagen. Katrina Krumpane spielt begabt Klavier und singt dazu mit warm getöntem, angenehmem Mezzosopran. Über das, was sie singt, schreibt das Programm pauschal: „Lieder und Arien von W.A. Mozart, J. Haydn, G.B. Pergolesi“. Sicher hätte der eine oder andere Zuschauer gern erfahren, was so wohltönend gesungen wurde, wie etwa eine gefühlvolle Arie aus „Così fan tutte“. Dieter Mann gibt den Lord Hamilton mit Understatement und ironisierender Distanz, was wohl weniger der realen Person nahe kommt, als aktuellen Trends. Das erfreute Publikum spendete viel Beifall für eine unterhaltsame, leichtfüßige und wohltönende Aufführung im historischen Ambiente. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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