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Kultur: Höllenlieder aus Schweden
Heavy-Metal-Brocken als fröhliche Pop-Perlen
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Wer bei dem Bandnamen „Hellsongs“ AC/DC assoziiert und sogleich „I’m on the highway to hell“ vor sich hin summt, war am Samstagabend im Waschhaus richtig. Denn auch Kalle Karlsson hat eine Affinität zu den Klassikern des Heavy Metal. Vor gut neun Jahren kam der Göteborger auf die charmante Idee, seine Lieblingslieder von Black Sabbath, Pantera oder Slayer einmal ganz anders, nämlich akustisch mit einer Sängerin und einem Pianisten, einzuspielen. Das Genre Lounge-Metal war geboren und begeisterte nicht nur die Schweden, die Hellsongs sogleich in die Charts hievten.
Im kuscheligen Waschhaus betrat aber erst einmal Leo Skaggmansson die Bühne, dessen Name so viel wie Sohn des Bärtigen bedeutet. So sah er dann auch aus und so hörte er sich an. Wie ein Folkbarde, der auch gern mal einen covert, etwa den „Highwayman“ von Jimmy Webb. Dabei ließ er beinah vergessen, dass er nicht der Hauptact des Abends war, was für die Freiburger Neo Rodeo, die anschließend ihren Deutschpop im Westernsound vorstellten, nicht galt.
Hellsongs hingegen überzeugten von der ersten Minute. Mit „Stand up and shout“ verbeugten sie sich zunächst noch recht zugeknöpft vor dem vor drei Jahren verstorbenen Ronnie James Dio, dann aber warf Sängerin My Engström Renman ihren Mantel beiseite und hörte für die nächsten 60 Minuten nicht mehr zu tanzen auf, während Kalle Karlsson mit seinem in der Schule gelernten Deutsch und so zauberhaften Wortschöpfungen wie „wir sind überbegeistert, hier zu sein“ überraschte und Johan Bringhed am E-Piano vergessen machte, dass es noch andere Instrumente geben könnte.
Die drei Schweden konzentrierten sich auf das Wesentliche und verwandelten Düsternis in Helligkeit. Live überzeugte die Dekonstruktion von testosterongesteuertem, lärmgewaltigem, in Gewaltfantasien sich suhlendem Metal in fröhlichen, leichtfüßigen Pop im Hippiegewand sogar noch mehr als auf Platte.
Ginge es Hellsongs aber einzig darum, maskulinen Rock zu entlarven, würde das Konzept kaum mehr als drei Nummern tragen. Stattdessen öffnen sie mit ihren Interpretationen die Ohren für die Sehnsucht nach Revolte und Gemeinschaft in der Musik, wie sie etwa in Skid Rows „Youth Gone Wild“ steckt.
Wenn My Engström Renman dann ganz ohne rollendes R und martialischen Gestus den Rammstein-„Engel“ gibt, zeigt sich, dass die bösen deutschen Jungs mitunter ganz liebe Lyrics schreiben, die sich kaum von Nena-Liedern unterscheiden. Den Death-Metal-Klassiker „Cold“ ihrer Landsleute At the Gates entschleunigen Hellsongs wiederum derart, dass die abgrundtiefe Melancholie des Textes zutage tritt. Auf der Bühne verzaubern Hellsongs jeden Grunzklassiker in eine mitreißende Soulnummer, sodass nur noch eingefleischte Metalheads die Originale erkennen.
Das Potsdamer Publikum erwies sich aber als absolut textsicher und feierte mit den Schweden enthusiastisch den Abschluss ihrer Tournee zu ihrem fünften Studioalbum „These are evil times“, das erstmals auch Selbstgeschriebenes enthält. Lene Zade
Lene Zade
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