
© Andreas Klaer
Atelierfest im Kunsthaus „Sans Titre“: Holzfäller und Rückwärtspuzzle
Zum Atelierfest im Kunsthaus „Sans Titre“ gab es Motorsägen, Flammenwerfer und dröhnende Electrobeats. Kunst mit Event-Charakter eben.
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Ein bisschen was Surreales hat der Nachmittag, als Künstler Chris Hinze in grüner Uniform und bewaffnet mit einer Motorsäge zu einer Lumberjack-Performance ansetzt: Aus einem Stück Holz will er eine Skulptur sägen, die im Anschluss versteigert werden soll. Kunst mit Event-Charakter eben: Live mit Schlagzeug und dröhnenden Electrobeats begleitet, lässt Hinze die Sägespäne fliegen, während das Publikum einen respektvollen Halbkreis um ihn bildet.
Zwischendurch mal Benzin nachfüllen, so eine Motorsäge hat großen Durst, und weiter geht es. Nach nicht einmal einer halben Stunde steht Hinze neben der für ihn so typischen schlanken Skulptur mit dem Alienschädel, Fluppe im Mundwinkel und Flammenwerfer in der Hand, der letzte Schliff hat etwas grotesk Zerstörerisches – und Hinze sieht aus wie aus einem texanischen Splatterfilm entstiegen.
Es roch nach Kleingarten
Bis zu der Performance lief es jedoch ganz ruhig und gesittet ab an diesem so sommerlichen Samstag, an dem das Kunsthaus „Sans Titre“ zum Atelier-Fest geladen hatte. Draußen ließ es sich gut aushalten, im Schatten des großen Baumes, vor dem eine Jazzband spielte. Es roch eher nach Kleingarten als nach trocknender Farbe, nach Grillen, nach Sommer. Und wenn da mal jemand im Liegestuhl zu den Klängen der sanft plätschernden Jazzband wegnickt, dann war das nicht böse gemeint. Es gab Bratwurst, Kuchen, Sekt, Bier, alles frei, man fühlte sich eher wie ein Hochzeitsgast.
Wenn man das Kunsthaus betrat, dauerte es eine Weile, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Chris Hinze und Mikos Meininger arbeiten schon seit einigen Jahren in dem Kunsthaus in der Französischen Straße, ihre Arbeiten sind beeindruckend – zumal sich beide Künstler gegenseitig zu beeinflussen scheinen, ohne ihre Identität aufzugeben. So finden sich bei Hinze die bereits erwähnten typischen Holzskulpturen, die er in ein unfassbares Blau taucht, das zu schimmern scheint. Bei Meininger sind es die Kupferplastiken, die in ihrer zerfrästen, korrodierten Optik wie zusammengeworfene Knetmasse aussehen. Genau wie seine Bilder aus der Reihe „Landschaftsnahe Bilder“ – die sind nämlich, wie der Titel nahelegt, eher landschaftsnah.
Unterstützung von Berliner Mäzen
Glück für die Künstler, dass sie jetzt von einem Mäzen unter die Fittiche genommen werden. Der Berliner Immobilienunternehmer Helmuth Holz hat sein Herz für Hinze und Meininger entdeckt – und nutzte das Fest natürlich auch für ein bisschen Werbung in eigener Sache. Und für karitative Zwecke: Der Erlös des Festes geht an das Evangelische Flüchtlingshilfswerk – und dürfte sich auf jeden Fall sehen lassen. So wurde die Idee, ein von beiden gestaltetes großformatiges Wandbild als Rückwärtspuzzle zu verwenden, begeistert angenommen: Man sucht sich einfach ein Stück raus, hält einen Rahmen darauf und lässt es sich ausschneiden – für 20 bis 80 Euro je Rahmengröße.
Allerdings zieht so eine Veranstaltung auch ganz anderes Klientel an als etwa das Rechenzentrum, das am Tag darauf die Ateliers öffnete und wo sich die Künstler unter prekäreren Bedingungen durchschlagen müssen. Die Skulptur von Chris Hinze etwa kam für lockere 1650 Euro unter den Hammer, für 25 Minuten Arbeit – gegen Spendenquittung und für einen guten Zweck, man will sich ja nicht lumpen lassen. Die Künstler mag das freuen: Aber Kunst und Kunst sind in Potsdam eben oftmals nicht dasselbe. Wer weiß, vielleicht finden sich ja noch mehr Mäzene.
Oliver Dietrich
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