Kultur: Holzköpfe zwischen Bücherwänden
Skulpturen von Walter Eichler bis 11. August in der Stadt- und Landesbibliothek
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Skulpturen von Walter Eichler bis 11. August in der Stadt- und Landesbibliothek Trotz ihres einnehmenden Wesens haben es die hölzernen Figuren schwer, sich aus dem hellen diffusen Licht herauszuschälen. Dabei thronen die Skulpturen achtungsgebietend auf eisernen Podesten, die sie in guten Blickkontakt zu den Besuchern der Bibliothek rücken. Doch die bücherhungrige Lesegemeinde scheint allein auf Literatur eingeschworen, nur wenige lassen sich von den schwarzen Gesellen am Wegesrand „ablenken“. Dabei haben sie durchaus Aufmerksamkeit verdient. Der Potsdamer Bildhauer Walter Eichler gibt in seiner kleinen Ausstellung nicht nur „Einblicke“ in seine Arbeit, sondern auch in menschliche Facetten. Dabei bedient er sich der großzügigen Geste, bleibt nicht an der realistischen Wiedergabe kleben. Sind seine früheren Arbeiten wie „Das glückliche Paar“ (1989) noch sehr an der Figur orientiert, atmen sie jetzt im freieren Rhythmus. Obwohl zumeist mit schwarzer Beize überzogen, verliert das Holz keineswegs seine Materialität. Die Spuren des Stechbeitels hauchen der Oberfläche ebenso wie feine Risse und Äste Lebendigkeit ein. Gern spielt der Künstler mit Kontrasten: schiebt zwischen dem naturbelassenen und teils schwarz getränkten Holz auch mal ein geschmeidiges Alublech. In diesem Spannungsfeld beginnen die Arbeiten ihre kleinen Geschichten zu erzählen. Auch der schlichte weibliche Torso weiß zu kokettieren: grazil, sich leicht drehend, wirkt er weich und verletzlich. Feine Risse haben sich bereits in seine Haut „eingraviert“. Im Gegensatz zu diesen fließenden Konturen steht das „Paar“ aus Holzbrettern – kantig und ineinander verkeilt. Trotz des einander Aufsaugens, schauen die Gesichter in verschiedene Richtungen. An die expressive Malerei von Munch erinnert die Skulptur „Saramago“ – eine Reflexion auf das Buch „Die Stadt der Blinden“ von Jose Saramago. Schutz suchend schmiegen sich die einzelnen Figuren aneinander, verschmelzen zu einer die Individualität preisgebenden Gruppe. Trotz dieses Zusammenschlusses spürt man die lauernde Gefahr, die diese „Insel der Verzagten“ umspült. Der 1938 im Sudetenland geborene Eichler beschäftigt sich bereits seit 1966, kurz nachdem er Potsdamer wurde, mit der Bildhauerei. Sie füllte neben dem Beruf als Architekt seine Freizeit aus. „Irgendwann bin ich wohl in einer der Volkskunstausstellungen aufgefallen, und in eine Förderklasse für Plastik aufgenommen worden.“ Fast zehn Jahre stand ihm dort der „Profi“ Werner Rosenthal zur Seite. „1986 hatte ich dann meine erste Personalausstellung: wie jetzt in der Stadt- und Landesbibliothek.“ Immer mal wieder durfte Eichler seine Arbeiten in die Öffentlichkeit tragen: im Landtag, im Pomonatempel und zuletzt vor vier Jahren im Bürgerhaus am Schlaatz. Inzwischen ist er fröhlicher Rentner, und zieht sich nur allzu gern in seinen Garten zurück, wo die verschiedensten Werkzeuge auf Futter warten. „Mal springt mich ein Stein an, mal ein Stück Holz. Jedes hat seinen Reiz.“ Und auch Silhouetten, die ihm in der Stadt „auflauern“, nimmt er mit in seine Werkstatt und lässt sie angereichert durch die eigene Fantasie behutsam ins Holz fließen. Immer mehr beginnen die Figuren in der Bibliothek zu sprechen und sich schließlich ins rechte Licht zu setzen. Heidi Jäger
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