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Alles Dada oder was? Die Hunger-Bühne beim Release-Konzert ihrer baluen CD in Hamburg.

© Promo/Privat

Konzert im Leander: Hunger und Dadismus

Wahnsinn mit Methode: Was auf den ersten Blick nicht nach Musik aussieht, ist in Wahrheit ein spannendes Free Jazz-Duo. Die Spezialisten für Musikunfälle Hunger kommen am Freitag ins Leander.

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Musik kann vieles, und immer wieder führt sie dazu, uns zu beeindrucken – sei es durch Fähigkeiten, durch Kreativität, die zündenden Ideen. Alles dem Versuch geschuldet, sich von der breiten Masse abzusetzen. Oder man macht das genaue Gegenteil: In der Kunst gab es bereits vor gut 100 Jahren die Strömung des Dadaismus, die dem Konsens eine Sinnlosigkeit entgegensetzen wollte, der aufgezwungenen Sinnhaftigkeit den Spiegel vorzeigen.

Nun ja, was die Kunst kann, das kann die Musik ja schon lange, scheinen sich die Berliner Hunger, selbst ernannte Spezialisten für Musikunfälle und am Freitag im Leander zu erleben, gedacht zu haben. Warum also nicht einfach mal alles auf das Wesentliche reduzieren? Es ist ja nicht so, dass das Duo Jörg Hochapfel und Christoph Rothmeier keine Ahnung von Musik hätte, nein! Weit gefehlt. Da haben sich zwei Künstler zusammengefunden: Rothmeier widmet sich hauptsächlich Installationen und Bildern, bei Hunger besteht die Kunst jedoch aus Schlagzeug, Drumcomputer und Gesang – was nicht weniger künstlich, nein: künstlerisch ist. Sein treuer Begleiter Jörg Hochapfel spielt dazu Keyboard, Melodika und Rassel.

Des Kaisers neue Kleider, mögen manche jetzt laut rufen, und vielleicht haben sie auch recht. Vielleicht verweigern sie sich damit auch einer Entdeckung, fast schon einer Offenbarung: der Erkenntnis, mit wenigen Zutaten etwas zuzubereiten, was unweigerlich im Kopf hängen bleibt. Free Jazz mag man so etwas nennen, vielleicht aber auch 16-Bit-Disko-Funk mit Hang zum Exzentrischen. Dabei scheint ganz bewusst vermieden zu werden, stringente Strukturen in die Musik zu bauen - oder es genau an den Stellen zu tun, an denen man es nicht erwartet.

Was ein wenig wie der Soundtrack zu Computerspielen der 80er-Jahre klingt, ist jedoch gar nicht so beabsichtigt. „Ich habe noch nie in meinem Leben ein Computerspiel gespielt“, sagt Jörg Hochapfel. Dennoch fallen diese Vergleiche relativ oft. Aber Hunger sind eben auch nicht in eine musikalische Schublade zu stecken, was durchaus beabsichtigt ist: Die Musik von Hunger ist einfach nicht dafür gemacht, nach etwas zu klingen, was es schon einmal gab. „Es geht auch gar nicht darum, Musik gelernt zu haben und jetzt zu wissen, wie man sie anwendet“, sagt Hochapfel. „Vielmehr geht es darum, einen Blick von außen darauf zu haben.“

Dass man sich dabei nicht ernst nimmt, versteht sich für Hunger von selbst. Dabei sei das Konzept gar keine Verarschung musikalischer Stile, sagt Hochapfel. Sonst wäre es ja auch Kabarett. „Das Ziel ist eigentlich, dass man Sachen macht, die man sonst peinlich findet.“ Eigentlich verbiete man sich das ja immer, in dieser Form geht es jedoch ganz bewusst um die Konfrontation. Das Ganze findet aber nicht konzeptlos statt, sondern als Wahnsinn mit Methode. Der Aha-Effekt ist so schnell die Erkenntnis, dass tatsächlich Musik gespielt wird – auch wenn es auf den ersten Blick gar nicht so aussehen mag.

Hunger am heutigen Freitag um 21 Uhr im Leander, Benkertstr. 1. Der Eintritt ist frei.

Oliver Dietrich

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