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Kultur: Hurra Solar

„Die 4. Revolution“ – Wie die Welt zu retten ist

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Einer weiß immer Bescheid, einer weiß, wo es lang geht. Am Donnerstag hieß er Hermann Scheer, Alt-Juso und Schattenkabinettler unter der Ägide Andrea Ypsilantis in Hessen im Jahr 2008. Streitbarer Bundestagsabgeordneter und Initiator vieler Gesetze zu den erneuerbaren Energien, deshalb auch Träger des Alternativen Nobelpreises 1999 und so weiter. Ein militanter Linker, der seinen „Marx rauf und runter konnte“, wie Sven Giegold, Grüner im Europaparlament, beim 6. Ökofilmfestival im Filmuseum befand. Wie viele seinesgleichen glaubte auch Scheer, die Erde nur durch eine Revolution retten zu könen, die vierte nach einer industriellen, der agrarischen, der digitalen. Das dazugehörige Schlagwerk hatte er 2005 mit seinem Buch „Energieautonomie“ geliefert. Im Jahr seines Todes, 2010, machte sich der Dokumentarfilmer Carl A. Fechner daran, Scheers auf globale Dezentralisierung gepolten Energie-Gedanken in einem knapp neunzigminütigen Dokumentarfilm zu bannen.

Als wichtiger Festivalbeitrag zur Ökofilmtour 2011 war „Die 4. Revolution“ jetzt noch einmal zu sehen. Aktivisten werden ja post mortem ganz besonders gebraucht. Man erlebt Hermann Scheer als weltumrundenden Prediger neuer Energien, als Sammler guter Erfahrungen von Leipzig bis Bangladesh. Wie er sich mit anderen Alternativen Nobelpreisträgern austauscht und seine Gegner mit übermächtiger Rhetorik niederzwingt. Dann groteske Szenen aus Mali: Auf wackeligen Armenhütten werden Solarzellen montiert, da freut sich ein ganzes Dorf, da jauchzt es in Afrika: Endlich die Lösung unserer Probleme! In Bangladesh heuert man Frauen zum Montieren der Solarzellen an, denn so hat man die ganze Familie im Sack. Die hochgelobte Vergabe von Minikrediten durch einen anderen Nobelpreis-Alternativen wird auf die Haben-Seite geschlagen. Erst im Filmgespräch erfuhr man, dass dieser nette Mensch von den armen Gläubigern Zinsen um die dreißig Prozent nahm. Scheers Gegner aber werden so gezeigt, dass man sie verlachen muss. Zog Öko-Frieden herauf, wurden Landschaften wunderbar grün, Kuschelmusik im Hintergrund. Die Botschaft der Weltretter: Ohne uns geht diese Erde garantiert zugrunde. Keine Alternative, Ihr müsst!

Ein vordergründiger Propagandaschinken also, doch der wohlgefüllte Saal folgte dieser rotgrünen Argumentationskette so problem- wie kritiklos. Da kam der zweite Film über den Total-Exitus des Nigerdeltas durch westliche Ölkonzerne leider viel zu kurz. Das anschließende Promi-Filmgespräch war äußerst lehrreich. Während Nnimmo Bassey, Vorsitzender der Umweltorganisation Friends of the Earth und Träger des Alternativen Nobelpreises, noch an das Allheilmittel Solarstrom glaubte und Jakob von Uexküll seine durchdachten Statements abgab, ließ Sven Giegold keinen Zweifel daran, dass es die Grünen mit der 4. Revolution ernst meinen. Der atheistische Umwelt-Guru Scherer von der SPD machte ihnen den Trojaner, um die Herrschaft der Energieriesen „möglichst demokratisch“ zu brechen. Fünf Prozent der Bevölkerung genügen, um etwas zu verändern, ergänzte die Ex-Umweltministerin Monika Griefahn gefällig. Die Bühne strömte altes Linkenpathos, revolutionären Hochmut, denn „die Bösen“, wie man hörte, sind ja immer die anderen. Ihre Strategie: Mit Willigen zusammenarbeiten, den Rest ausbooten. Gemeint sind die „Unverbesserlichen“, nach Uexküll die „Zukunftsverweigerer“. Wahrscheinlich kennen diese Solarzellen-Anbeter nur eine Zukunft, die ihre. Eine fordernde, militante, unversöhnliche Sprache beherrschte den Filmsaal, Freundlichkeit keine. Was wunder, die 4 Revolution hat doch schon lange lange begonnen! Gerold Paul

Gerold Paul

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