zum Hauptinhalt

Kultur: „Ich bin die Venus“

Mut zur Weiblichkeit macht die Ausstellung „Die Geburt der Venus“ in der Benkertstraße 16

Weiblich sei sie, nach außen tretend. Sie habe den Stolz einer Königin und begehre dennoch das Männliche. Sie trage zugleich etwas Mütterliches und etwas Kämpferisches in sich. „Wer sie zähmen will, hat schon verloren“, sagt Künstlerin Christine Sustersic über ihre Venus.

Als die Bronzeskulptur geboren wurde, war sie noch eine unscheinbare, unbewusste Gestalt mit Namen: die Unberührte. Doch dann begab sie sich unter den Händen der Künstlerin in eine zehnstufige Metamorphose. Dabei duldete sie es, dass sie zu einer Berührten wurde. Diese Erfahrung ließ sie empor steigen, half ihr, sich zu öffnen und zu wandeln, bis sie endlich aus sich heraustreten konnte und als eigenständig gelöste Form in der römischen Göttin der Liebe und Schönheit aufging.

Der Zyklus „Die Metamorphose der Venus“ ist Bestandteil der aktuellen Ausstellung „Die Geburt der Venus“ in der Galerie Benkertstraße16 im Holländischen Viertel. Obgleich Christine Sustersic kein für die Kunst neues Thema kreiert hat, man denke nur an das gleichnamige Gemälde des italienischen Malers Botticelli von 1485 oder an das des französischen Malers Bougueraeu von 1879, war es doch für sie persönlich eine neue Erfahrung. Denn die schrittweise Wandlung vom abstrakten, kantigen, fast schon maskulinen hin zu einer sinnlichen, intuitiven und weiblichen Gestalt hat auch die Künstlerin selbst erlebt.

Christine Sustersic, Jahrgang 1952, arbeitete als gelernte Bauzeichnerin jahrelang in männlich dominierten Ingenieurbüros und prägte in dieser Welt ganz zwangsläufig feministische Züge aus. Emanzipiert war sie damals jedoch nur zum Schein, wie sie heute weiß. Ihre innere Befreiung war ein Prozess von Jahren, in denen sie sich ihrer selbst als Künstlerin und Frau bewusst wurde.

In den 80er Jahren machte Sustersic eine Ausbildung zur Erzieherin und setzte sich erstmals konkret mit Kunst auseinander. Später studierte sie dann an der freien Kunsthochschule in Berlin und schloss 2002 noch ein Studium zur Diplom-Kunsttherapeutin ab. „In gewisser Weise bin ich die Venus, die es geschafft hat, ihre weiblichen Stärken zu emanzipieren“, sagt sie heute.

Weiblichkeit sei immer innerer und äußerer Natur, erklärt sie mit Blick auf sehr körperlich gestaltete, ausladende bronzene Venusfiguren. Die Köpfe sind bewusst sehr klein gehalten, weil dort nicht der Schwerpunkt, nicht die Stärke des weiblichen Seins liegt. Dafür wölben sich die Bäuche weich und sinnlich, weil Frauen vieles intuitiv, aus dem Bauch heraus entscheiden, erklärt die zierliche Galeristin. „Frauen bemühen sich auch heute noch viel zu oft, Männern nachzueifern, ihnen ebenbürtig zu sein, statt ihr Anderssein zu betonen und als Ressource zu nutzen.“ Deshalb sei es ihr auch in den Kreativ-Workshops, die sie leite, ein besonderes Anliegen, Frauen in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken.

An den Wänden der Galerie hängen schwarz-weiße Schriftcollagen, auf denen ein einziger Satz tausendfach seine Schleifen zieht: Die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen. Ursprünglich war das der Titel eines 1978 erschienen Films über misshandelte Frauen, die aus Scham still halten. Im Alltagsleben 2006 bekommt der Satz eine allgemeinere Bedeutung: In einer Ehe sollten es nicht immer nur die Frauen sein, die nachgeben und Kompromisse zu Gunsten der Männer eingehen, denn das wird ihnen im Nachhinein oft als Schwäche ausgelegt. Stattdessen sollten sie sich selbst in eine Metamorphose begeben und die Venus erwecken, die in ihnen allen schlummert.

Die Ausstellung „Die Geburt der Venus“ist noch bis zum 15. März immer dienstags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr in der Galerie Benkertstraße 16 zu sehen.

Juliane Schoenherr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false