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Ausstellung "In Brandenburg willkommen?": "Ich Deutsch – du Deutscher"

Eine Mischung aus Realität und Satire: Die Ausstellung "In Brandenburg willkommen?" zeigt bewegende Karikaturen zu Flucht und Integration. Wegsehen geht nicht.

Von Sarah Kugler

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Potsdam - Drei Stühle in der Mitte, mehr als 15 Menschen laufen im Kreis darum herum, den Blick gehetzt auf die roten Sitzkissen gerichtet, auf den ihnen ein großes „Willkommen“ entgegenlacht. Doch es gibt nur drei Plätze, nur drei von 15 sind willkommen, der Rest hat verloren. Was beim Stuhltanz, einem beliebten Spiel auf Kindergeburtstagen, noch lustig ist, wird auf der Karikatur von Gerhard Mester zum bitteren Ernst, zu einem Spiegelbild der Realität.

Flüchtlinge, die verzweifelt und unter den strengen Augen von Wachmännern um einen Asylplatz in Europa kämpfen. Die bedrückende Darstellung ist eine von vielen Karikaturen, die im Rahmen der Ausstellung „In Brandenburg willkommen?“ noch bis zum 16. September in der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam zu sehen sind. Am vergangenen Dienstagabend wurde die Ausstellung eröffnet.

Was macht Nationalität eigentlich aus?

Inhaltlich setzt sie sich mit der Situation der Flüchtlinge auseinander, wobei sowohl die Flucht an sich als auch die Anfeindungen vonseiten deutscher Fremdenhasser thematisiert werden. Neben Werken von Mester finden sich auch Arbeiten von Barbara Henniger, Burkhard Mohr, NEL, Heiko Sakurai und Klaus Stuttmann. Sie zeigen schonungslose Szenen, bei denen dem Betrachter das Lachen schon mal im Halse stecken bleibt. Nicht nur bei der erwähnten Stuhltanz-Karikatur oder einer Zeichnung von Henniger, auf der Frontex-Mitarbeiter Schiffstrümmer mit den Worten kommentieren: „Operation TRITON erfolgreich – kein einziger illegaler Landgang!“ Andere setzen auf Ironie, wie etwa Stuttmann, der die Spitzen der Dresdner Stadtsilhouette kurzerhand mit Sichelmonden ausstattet und das Bild mit „Falls PEGIDA scheitert“ untertitelt.

Viele der Karikaturen hatten die Künstler unabhängig von der Ausstellung gezeichnet, einige sind aber auch extra dafür entstanden. So fertigte Henniger extra eine Darstellung an, auf der eine winzig kleine Frau mit Kopftuch einem überdimensional großen Mann verzweifelt ihren Pass mit den Worten „Ich Deutsch!“ hinhält. Er antwortet ihr mit: „Ich Deutscher“. Ein wunderbares Bild für die Ignoranz, auf die auch in Deutschland Angekommene oft stoßen. Gleichzeitig stellt es die Frage, was Nationalität eigentlich ausmacht.

Ein Sog von Bild zu Bild

Doch egal welcher Ansatz gewählt wurde, aufrüttelnd sind die Karikaturen auf jeden Fall. Wegsehen geht hier nicht, im Gegenteil: Es entsteht beinahe ein Sog, der den Betrachter von Bild zu Bild, von Szene zu Szene treibt und dem einen oder anderen auch die eigene Hilflosigkeit vor Augen führt. Trotzdem hinterlässt die Ausstellung nicht unbedingt ein flaues Gefühl im Magen.

Denn genau dann, wenn man die Bilder nicht mehr ertragen kann, wenn das überzogene Grauen zu viel für die Augen und den Verstand wird, dann hakt sich der zweite Teil der Ausstellung ein. Gleichzeitig mit den Karikaturen sind nämlich Porträts und Lebensläufe von ehrenamtlichen Helfern ausgestellt, die mit großen und kleinen Projekten Flüchtlingen dabei helfen, sich in Brandenburg mehr zu Hause zu fühlen. Extra auf gelb gestrichenen Wandflächen angebracht, leuchten sie dem Besucher wie kleine Sonneninseln entgegen. Beispiele von Menschen, die sich engagieren, Kraft und Freude an andere abgeben – kurzum: Fremde willkommen heißen.

Zusammenhänge zwischen den Karikaturen

Für Kuratorin Martina Schellhorn ist diese Mischung aus Realität und Satire eine wunderbare Lösung, die die Besucher im Idealfall bewegen soll. „Es war natürlich eine Herausforderung, etwas zu finden, was sich verschränken lässt“, sagte sie den PNN am Dienstag. Das jetzige Angebot sei aus ihrer Sicht aber eine wundervolle Lösung. Sie wünscht sich, dass der Besucher beim Betrachten der unterschiedlichen Geschichten etwas entdeckt und eigene Zusammenhänge zwischen den Karikaturen herstellt.

Und entdecken kann man hier viel: Da ist zum Beispiel Stefan Palme aus Wilmersdorf in der Uckermark, der mit seiner Frau syrische Flüchtlinge im Dorf betreut, Alexandra Fox, die Deutschkurse in Fürstenwalde gegeben hat oder David Shpirt, der sich im Integrationsgarten am Schlaatz in Potsdam engagiert. Sie alle zeigen, dass schon kleine Hilfsangebote große Wirkung erzielen können. Außerdem geben sie Hoffnung. Hoffnung darauf, dass Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen eben doch nebeneinander und vor allem miteinander leben können. Natürlich müssen dabei auch Hindernisse, wie etwa Sprachbarrieren überwunden werden, wie die Porträts sehr schön zeigen. Gleichzeitig machen sie aber auch deutlich, dass die Erfolge jegliche Anstrengung rechtfertigen. Diese Freude wird nicht nur in den Texten zu den Helfern deutlich, sondern auch in den Porträtaufnahmen von Stefan Gloede, der die Ehrenamtler in Schwarz-Weiß-Aufnahmen eingefangen hat. Die meisten lachen in die Kamera, einige blicken nachdenklich zu ihren Betrachtern herüber. Damit strahlen sie eine Ruhe aus, die man in den Karikaturen nicht finden wird. Hier ist alles dynamisch, quälend, aufreibend. Und genau diese Mischung schafft eine Spannung, die dazu führt, dass einen die Ausstellung nicht so schnell wieder loslässt.

Zu sehen sind die Porträts und Karikaturen bis 16. September in der Landeszentrale für politische Bildung, Heinrich-Mann-Allee 107.

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