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Kultur: „Ich folge dem Ruf der Freiheitsglocke!“

Der Maler und Provokant Joachim Buhlmann wurde zum 80. Geburtstag mit einer Ausstellung geehrt

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Der Maler und Provokant Joachim Buhlmann wurde zum 80. Geburtstag mit einer Ausstellung geehrt „Die Geschichte lehrt, dass wir immer ins Verderben rannten oder getrieben wurden“, so formulierte der nicht unumstrittene Neufahrländer Maler Joachim Buhlmann am Freitag eine seiner in 80 Lebensjahren gesammelten Erkenntnisse. Ihm zu Ehren organisierten Gemeinde und der dortige „Kultur- und Sportverein“ eine kleine Ausstellung mit gar „bösen Bildern“, wie es der Künstler selbst formulierte, im Gemeindezentrum, welches zugleich Kindergarten ist. Sie wird glücklicherweise zu Wochenbeginn wieder abgebaut, denn man hörte unter den zahlreichen Gästen schon mal besorgte Stimmen, ob diese teils brachialen Weltanschauungsbilder, ungemütliche Widerspiegelungen einer brutalen High-Tech-Zivilisation, Vorschulkindern zuzumuten seien. Buhlmann will ja ausdrücklich provozieren, er will aufklären, er will das Gespräch, und so ging es, nach der hübschen Eröffnung durch das Bläsertrio „Berliner Windspiele“ und einer leicht verklärten Laudatio, auch zur Sache, noch bevor man seine Werke studieren und die jedem Bild rechts und links beigegebenen „Schriften“ des Malers studieren konnte. Die Ausstellung selbst stand unter dem Titel „Spiegelbilder der Moral und des Geistes“, denn der üble Zustand der Welt, welchen Buhlmann mit klar messianischem Ansatz verbessern möchte, käme zustande, weil sich das Innere jetzt nach außen kehre „und die Verhältnisse prägt“. Es sind die bekannten Eigenschaften Habsucht, Geiz, Eitelkeit und Neid, wie man sie aus der Bibel kennt. Ein Bild illustriert, wie die Herrschaft des „feigen Ego“ alles verdirbt: Man sieht einen Mann mit riesigen Händen, über dem Kopf eine Art Heiligenschein mit der Inschrift „Ego“, dasselbe auf Stirn und im Herzen, während diese Gestalt grimmigen Auges ein Messer zwischen den Zähnen hält. Ein anderes zeigt einen gefesselten Mann, hier erscheinen dieselben Begriffe verbal inmitten von Stacheldraht. Buhlmann sucht offenbar die Direktheit. Was er ausdrücken will, ist nicht zuerst „Kunst“, eher gibt er „Gedanken in Bildern“, mit denen eine „neue Ethik und eine neue Welt“ erschaffen werden soll, behufs solcher Verstandesbegriffe. Ein interessanter Mann also, der noch immer an die „führende Rolle“ von Kunst und Intellekt glaubt, ganz im Geiste von Kant und Rousseau, an die Macht der menschlichen Vernunft. An Gott offenbar nicht, sonst hätte er den Satz „Ich folge dem Ruf der Freiheitsglocke!“ so nicht formuliert. Joachim Buhlmann wurde 1924 als Hauptstädter geboren, Lehrzeit in Bernau und Berlin, von 1945 bis 49 Studium an der Hochschule der Bildenden Künste in Berlin-Charlottenburg. Bekennender Linker, und 12-jährige SED-Zugehörigkeit, bis man ihn, auch in der Potsdamer Sektion des Verbandes bildender Künstler, ob seiner Art geradezu verletzend mied. Er neigt tatsächlich zum Märtyrertum. Mal stellt er sich, unter Tränen, mal mit der Losung „Gerechtigkeit“, an die Front von Menschenzügen, umgeben von bösen Figuren feurig-gespaltener Zungen, er malt sich auch als Gekreuzigter mit unverkennbar eigenen Zügen, ein Mann, welchem der Weg zu „sozialer Weltgerechtigkeit“ und Menschenglück bekannt ist. Man müsse „nur“ sein Ego besiegen und solidarisch zusammenstehen, dann könnte es, entgegen aller Erfahrung, werden: „Träume, goldenes Wenn“ – Buhlmann, ein Moralist im Selbstauftrag, mit Sendungsbewusstsein für den Planeten, fühlt sich Brecht und der Dialektik verpflichtet. Ein Weltverbesserer, der Picasso vorhält, Ideale verworfen und beim Dienen am Niederen reich geworden zu sein („Ich hätte vielleicht auch reich werden können, aber ich wollte es nicht“), und als „Sisyphus“ mit hunderten junger Leute in einem selbstgeschaffenen „Forum“ berät, wie Moralität die Welt bessern könne. Im Zeichen der Freiheitsglocke, die kein deutscher Politiker hört. Adam und Eva am Baum der Erkenntnis, auch wenn sich der in einen Atompilz verwandelt, die Urschuld weltlich verstanden – man diskutierte bereitwillig über die Themen des 80-jährigen Utopisten. Am Rande scheinbar ganz andere Töne: Besonders linke Leute besprachen sich, wie man die Reichen im Zeichen solcher „Gerechtigkeit“ am besten von ihrem Reichtum befreie, notfalls sogar gegen Marx. Auch das ist eine Frucht seines Denkens. Gerold Paul

Gerold Paul

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