zum Hauptinhalt

Kultur: „Ich will ein Mensch sein, der seinen Sinn hat“

Das Studentenfilmkino im Kulturhaus Babelsberg zeigte „Verbotene Filme“

Stand:

„Ich will ein Mensch sein, der seinen Sinn hat“, sagt die Protagonistin in dem Film „Bessie Bosch“, der im sehr gut besuchten „Babelsberger Studentenfilmkino“ gezeigt wurde. Persönliche Sinnsuche und persönliches Leid waren im DDR-Film oft unerwünscht, so auch das Leid von „Bessie Bosch“, dem Diplomfilm (1982) von Hans-Ulrich Michel, einem ehemaligen Studenten der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ (HFF). Kritische Studentenfilme gerieten unter Verschluss, sie landeten schlicht und ergreifend im „Keller“. Anlass genug, diese Filme wieder ans Licht zu holen und der Öffentlichkeit auf einer Veranstaltung des Kulturhauses Babelsberg und der HFF von „Verbotenen Filmen“ zugänglich zu machen.

Insgesamt Drei kamen zur Aufführung. Die ersten beiden waren Dokumentarfilme, die in die Zeit des aufblühenden „dokumentaren Realismus“ fallen. Dieser Stil hatte in den siebziger Jahren viele Anhänger unter den jüngeren Regisseuren. Charakteristisch dafür war die Arbeit an Originalschauplätzen und mit Laiendarstellern. Bevorzugtes Genre wurde der Dokumentarfilm, was der Entwicklung im übrigen Filmwesen der DDR geschuldet war.

Die Filme beschäftigten sich überwiegend mit dem DDR-Alltag. Man versuchte auf die Partei-Doktrin sowie auf eine einseitig politische Blickrichtung zu verzichten und neue Wege zu beschreiten. Von nun an rückten verstärkt Porträts Einzelner und Ausschnitte des Alltags in den Vordergrund. Die Partei vermutete bei den Anhängern des „dokumentaren Realismus“ eine Opposition. Zudem wurde bemängelt, dass die entstandenen Werke nicht genug weltanschaulich Stellung bezögen und die Zuschauer nachdenklich und traurig machten. So gerieten viele Filme unter Verschluss. Das „Studentenfilmkino“ zeigte auch zwei Filme von HFF-Studenten, deren öffentliche Vorführung nach der internen Präsentation untersagt wurde.

„Zöglinge“ (1974) von Peter Heinrich wagt einen Blick in ein Kinderheim der DDR, ins „Außenseiter“-Milieu. Ein Jungeerzählt ohne Scheu vor laufender Kamera vom rigiden Heimalltag, der bis ins Kleinste geregelt ist: „Manchmal dürfen wir abends noch ein bisschen fernsehen und wenn nicht, müssen wir um halb neun ins Bett.“

„Man war draußen“ heißt es bei den „Heim-Zöglingen“, wenn man kurz das Heim verlassen hat. Das erinnert an eine Haftanstalt. „Man sagt (hinterher) , man war im Internat.“, so sagt eine junge Frau mit der Begründung, dass ein Heimbesuch oft ein Makel sei. Im Mittelpunkt des Films sollte nicht zuallererst die Beobachtung des Alltags stehen, sondern die Wünsche nach einer anderen Berufsausbildung, als wie sie im Heim möglich war. Am Filmenende sieht man Dieter, der das Heim verlässt, sich in der neuen Wohnung einrichtet, sein Leben selbst organisiert. Ein optimistisches Ende.

Der zweite Streifen „Montagebrüder“, 1973, von Gerd Wille zeigt, wie eine Erdgasleitung gebaut wird, an der Trasse im Erzgebirge. Ursprüngliche Motivation der Arbeiter war die Verheißung von Abenteuer, dann der Verdienst. Sie kritisieren scharf die Versorgungsmängel, was dann wohl zum Verbot des Filmes beitrug. Er durfte nicht fertiggestellt werden.

Vom „dramatisch-emotionalen Stil“ geprägt sind Filme, deren Handlung in die Zeit des Faschismus fallen, beispielsweise „Bessie Bosch“ von Hans-Ulrich Michel nach dem gleichnamigen Drama von Johannes Wüsten, geschrieben 1936. „Bessie Bosch“ ist ein Zweipersonenstück Es spielt im Milieu von Antifaschisten und Widerstandskämpfern und thematisiert den „Zweifel am Sinn und an der Bestimmung des politischen Auftrags“. Ein Antifaschist steht einer jungen Frau in einer langen Nacht bei, denn sie weiß, dass ihr Mann, zum Tode verurteilt wurde. Noch weiß sie nichts von der Hinrichtung und hat Hoffnung auf Begnadigung.

Der Film stellt nicht die „unerschrockene Kämpferin“, die Heldin in den Vordergrund, sondern den konträren Typus des „leidenden Menschen“. Bessie ist keine „Mutter Courage“- Gestalt, sondern eine fast bis zum Schluss an dem politischen Standpunkt zweifelnde Frau, dass das Opfer, hier Bessies Mann, „geschichtlichen Sinn“ haben werde. Annegret Dahm

Annegret Dahm

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })